Sven Ulreich ballte beide Hände zu Siegerfäusten und trat erleichtert gegen den Pfosten. Mit einer Wahnsinnsparade verhinderte der Torhüter von Bayern München in letzter Sekunde ein Eigentor von Eric Maxim Choupo-Moting und hielt so den schmeichelhaften 2:1 (0:0)-Erfolg in der Champions League beim FC Kopenhagen fest. Der verdiente Lohn: Ulreich wurde von allen seinen Mitspielern geherzt und umarmt.
„Wie er den rausholt – gigantisch“, schwärmte Kapitän Joshua Kimmich nach dem „extrem schwierigen Spiel“ bei Prime Video und lobte Ulreich: „Generell, was er in den letzten Wochen spielt, ist top für uns. Er macht es in Vertretung von Manu (Neuer) unfassbar gut, strahlt eine unfassbare Ruhe aus.“ Der deutsche Rekordmeister baute damit auch seine Super-Serie in der Königsklasse aus und nahm Kurs auf das Achtelfinale. Letztlich unbeeindruckt vom Wirbel um eine mögliche Verpflichtung von Jérôme Boateng beendeten die Bayern beim aufmüpfigen Außenseiter nebenbei ihren kleinen Dänemark-Fluch: Seit 44 Jahren hatten die Münchner nicht mehr im Nachbarland gewonnen.
Die Treffer für die lange viel zu statischen Bayern erzielten Jamal Musiala (67.) und der eingewechselte Mathys Tel (83.) nach überragender Vorarbeit von Joker Thomas Müller. Trainer Thomas Tuchel bewies damit ein goldenes Händchen. Lukas Lerager (56.) hatte den lange giftigeren dänischen Meister in Führung gebracht. Für die Münchner war es der 15. (!) Sieg in der Gruppenphase hintereinander. Als erster Klub überhaupt überstand der FCB 18 Auswärtsspiele in der Vorrunde in Serie ohne Niederlage. Die letzte Pleite (0:3 in Paris) liegt inzwischen über sechs Jahre zurück, seit 36 Gruppenspielen ist man unbezwungen (33 Siege, 3 Remis).
Doch die Verhinderung der sich ab der 56. Minute anbahnenden, historischen Pleite war ein hartes Stück Arbeit. Den Bayern mangelte es beim zweiten Auftritt nach dem 4:3 gegen Manchester United an Kreativität und Durchschlagskraft, um das dänische Defensiv-Bollwerk zu knacken.
Tuchel hatte unmittelbar vor der Partie noch vor dem enorm heimstarken Rivalen gewarnt. „Wir müssen voll da sein“, sagte er im dänischen Fernsehen – wohlwissend, dass Kopenhagen in seinen vorherigen 15 Königsklassen-Heimspielen nur eine Niederlage kassiert und im Vorjahr dem späteren Champion Manchester City ein 0:0 abgetrotzt hatte. Auch die Bayern mühten sich vor 38.000 Zuschauern im stimmungsvollen Parken-Stadion lange Zeit vergebens. Dank Musiala und Tel reisen sie aber mit sechs Punkten in drei Wochen zum Auswärtsspiel beim türkischen Rekordmeister Galatasaray.
Das Thema Boateng war, natürlich, auch am Dienstagabend allgegenwärtig. Sportdirektor Christoph Freund verteidigte das Interesse am früheren Nationalspieler abermals. „Es gilt die Unschuldsvermutung, es ist kein Verfahren am Laufen“, sagte der Österreicher. Ob Boateng wirklich zurückkehren wird, soll bis Ende der Woche entschieden werden.
In Kopenhagen bildeten wie zuletzt bei RB Leipzig (2:2) Dayot Upamecano und Min-Jae Kim die Innenverteidigung – und hatten alle Hände voll zu tun. Die Dänen starteten schwungvoll. So musste Sven Ulreich schon früh gegen den ziemlich blanken Mohamed Elyounoussi (4.) eingreifen.
In der Folge versuchten die Münchner, bei denen Nationalspieler Leon Goretzka nicht in der Startelf stand, durch längere Ballbesitzphasen an Sicherheit zu gewinnen. Doch trotz erster Chancen wirkten die Gäste verwundbar. Bei einem Elyounoussi-Kopfball (27.) war Ulreich zur Stelle. Glück hatten die Bayern, dass Viktor Claesson wenige Sekunden später knapp im Abseits stand.
TV-Experte Matthias Sammer schwärmte zur Pause von der Defensiv-Power der Dänen und gab ihnen bei Prime Video die „Schulbuchnote 1“ für Zusammenhalt und Verteidigen. Die Bayern agierten zu einfallslos. Superstar Harry Kane, der in der ersten Halbzeit auf lediglich sechs Ballkontakte kam, müsse „beweglicher sein“, monierte Sammer.
Kurz nach Wiederanpfiff schlug Kopenhagen eiskalt zu. Nach einem verlorenen Zweikampf von Konrad Laimer schalteten die Dänen blitzschnell um, Lerager traf. Die Bayern erhöhte die Schlagzahl – und profitierten von einer starken Einzelleistung Musialas (ein tolles Dribbling durch mehrere Gegenspieler samt präzisem Torschuss zum 1:1) sowie ihrer hochkarätig besetzten Bank: Müller setzte sich robust durch, bevor er auf Tel ablegte, der eiskalt zum 2:1-Endstand vollendete.