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WM-Sorgen bei der DFB-Elf: Nagelsmann quält ein Problem, das er selbst nicht lösen kann

Diesen Notstand kennt die deutsche Fußballwelt fast gar nicht: den akuten Torwartmangel. Man muss in der Geschichtsschreibung schon weiter zurückgehen, um darauf zu stoßen. So hat auch Bundestrainer Julian Nagelsmann ausgerechnet auf jener Position ein Überangebot, auf der die Spieler maximal unflexibel sind. Die wenigsten Torhüter sind polyvalent, wie es in der Fachsprache heißt. Sie können also nicht mal schnell Kaderlücken auf anderen Positionen auffüllen – selbst wenn sie Manuel Neuer heißen.

Für Nagelsmann heißt das, er kann sich bei der Ersatz-Nummer-Eins für den noch immer schwer verletzten Marc-André ter Stegen zwischen zwei Kandidaten entscheiden, die beide Stammkräfte in ihren Klubs sind. Alexander Nübel hütet beim VfB Stuttgart dank einer Leihkonstruktion mit dem FC Bayern das Tor, Oliver Baumann ist seit einer gefühlten Ewigkeit für die TSG Hoffenheim im Einsatz. Letzterer bekam den Zuschlag für das Nations-League-Viertelfinale gegen Italien – erst in Mailand und dann beim Rückspiel in Dortmund. Aus Sicht des Bundestrainern war es eine „Millimeterentscheidung“, die nicht unumstößlich ist, das erzählt er im Presseraum des imposanten San Siro in Mailand.

Bei der Nummer drei kann Nagelsmann, so groß ist der Luxus auf der Position, sogar einen Torwart nehmen, der es gewohnt ist, von der Bank ins kalte Wasser geworfen zu werden. Und weil, so ehrlich muss man sein, der Einsatz eines dritten Torwarts fast ausgeschlossen ist, müsse er andere Qualitäten mitbringen, sagt Nagelsmann. Als Ersatzkeeper von Manchester City erfüllt Stefan Ortega alle Anforderungen an einen dritten Mann.

Nur noch 15 Spiele

Und da ist man wieder am Anfang: Genau an dieser Stelle liegt das Problem, diesen Luxus hat Nagelsmann auf fast keiner anderen Position. Der Bundestrainer ist zwar zuversichtlich, dass seine DFB-Elf bei der Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Mexiko und Kanada ihren „Peak“ erreicht. Aber damit das passiert, müssen die Nagelsmänner vor allem eines tun: In ihren Klubs regelmäßig spielen. Da reichen die noch 15 Länderspiele bis zu dem Anpfiff der Trump-WM im mexikanischen Aztekenstadion am 11. Juni 2026 nicht.

Wenn er über seine WM-Mission spricht, zieht Nagelsmann gerne den Vergleich zu Turniersiegern der jüngeren Geschichte: Die Teams der Italiener und Argentinier spielten nicht nur länger zusammen, sie hatten auch höhere Startelfquoten bei ihren Auswahlspielern, erklärte er im Vorfeld der Kadernominierung. Schon vor dem Nations-League-Viertelfinale sendete Nagelsmann eine Warnung an seinen Kader. Diesmal seien auch Profis dabei, die nicht „hundertprozentige Stammspieler“ seien. Im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärte er jüngst, er erwarte eine Einsatzquote von 70 bis 80 Prozent.

Diesen Richtwert nannte er beim Thema Aleksandar Pavlović, dem wohl tragischsten Fall des DFB-Teams. Der 22-Jährige fehlt diesmal wegen einer langwierigen Virusinfektion. Eigentlich soll „Pavlo“ irgendwann ein Teil der DFB-Doppelsechs sein. Doch dafür fehlt ihm in seiner noch jungen Karriere schlicht die Spielzeit. Immer wieder werfen ihn kleinere und größere Verletzungen zurück. Mal sind es die Mandeln, mal das gebrochene Schlüsselbein. Nicht nur die Verletzungen kosten Zeit, sondern auch die Reintegration. „Wenn der Rhythmus so bleibt, wie er jetzt ist, dass er maximal 50 Prozent spielt, wird es eng“, sagte Nagelsmann.

Das alte Problem im Zentrum

Dem Bundestrainer sind dabei aber die Hände gebunden. „Aber ich werde natürlich nicht zu Vincent Kompany gehen und sagen: ‚Der Pavlo muss mehr spielen'“, erklärte Nagelsmann der „FAZ“. Es ist ein Dilemma: Auf der einen Seite kann der Bundestrainer nicht in die Vereinspolitik eingreifen und von einem Klubtrainer verlangen, dass ein Spieler öfter eingesetzt wird. Auf der anderen Seite bieten die restlichen 15 Spiele bis zur WM nicht genügend Zeit für irgendwelche Experimente. In der Verantwortung sind also andere: Es sei „Aufgabe derer, die bei der WM spielen wollen, dafür zu sorgen, dass es so ist“, formulierte es Nagelsmann. Sprich: Die DFB-Stars sollen sich bei ihren Klubs mit guten Leistungen unverzichtbar machen.

Mit Quantität und Qualität gibt es in der ersten Reihe keine Probleme. Florian Wirtz, Jamal Musiala, Kai Havertz, Antonio Rüdiger: Die DFB-Stammkräfte glänzen mit Einsatzzeiten. Doch dahinter wird es kompliziert. Man habe in der Breite noch Nachholbedarf, sagte Nagelsmann bei der Kaderpräsentation. Ein Wert zeigt das besonders: die Startelfquote beim Klub. Das ist die Statistik, die anzeigt, wie regelmäßig ein Spieler in der eigenen Liga in der Startelf steht – Verletzungen und Sperrungen einbezogen. Die Werte hat die Marktwertseite Transfermarkt.de errechnet.

Am meisten brennt es da auf zwei Positionen: Hinter Joshua Kimmich (92 Prozent, klar, die Benchmark für Feldspieler) gibt es derzeit keinen Rechtsverteidiger, der gerade auch fit ist. Deshalb kann Nagelsmann seinen Kapitän nicht ins Zentrum rücken. Dort jedoch klafft seit dem Abgang von Toni Kroos nach wie vor eine Lücke. Ein Hoffnungsträger: Der Stuttgarter Angelo Stiller spielt derzeit regelmäßig im Klub, liefert starke Leistungen ab, die ihn unter anderem für den FC Bayern (da wurde er ausgebildet) und Real Madrid (wildes Gerücht aus Spanien) interessant machen sollen. Er könnte die Rolle als Sechser bei der Nationalelf ausfüllen.

Gesucht ist ein möglicher Partner: Angesprochener „Pavlo“ ist bei seinen Einsatzzeiten zu instabil. Robert Andrich durchläuft bei Bayer Leverkusen eine akute Spielzeit-Krise (nur 62 Prozent). Pascal Groß spielt zwar regelmäßig beim BVB, könnte mit seinen 33 Jahren aber eher ein Spieler sein, der den Weg zur WM begleitet, aber dort keine Hauptrolle spielen wird. Auf der Pressekonferenz bringt Nagelsmann noch einen ins Spiel, der verletzt fehlt: Felix Nmecha vom BVB sei ein „interessanter Sechser“.

Ein Glück: die Torhüter

Und auch sonst. Ein Deniz Undav ist gerade nicht nur vom Leistungs-„Peak“ (Nagelsmann) entfernt, sondern ihm geht beim VfB Stuttgart auch die Spielzeit etwas abhanden (58 Prozent in der Liga). Die Liste derer, denen es ähnlich geht, ist lang. Im Jobsharing auf den Flügeln des FC Bayern rauben sich Serge Gnabry und Leroy Sané derzeit gegenseitig kostbare Minuten. Beide sind gerade keine Stammspieler. Sanés Vertrag läuft im Sommer aus. Möglich, dass er die Bayern auch verlassen wird. Karim Adeyemi spielt beim BVB zwar wieder regelmäßiger, ist aber noch sehr weit von einer Top-Quote entfernt.

Auf die Spielzeit-Krise reagiert Nagelsmann mit seinen Nominierungen. Er bricht mit der Logik seiner Vorgänger: Die DFB-Elf ist kein Ort mehr, um lange Einsatzzeiten zu sammeln. Deshalb belohnt er auch den Hartnäckigkeit von Leon Goretzka und holt ihn nach einem „klärenden Gespräch“ zurück in die Nationalelf, nachdem der 30-Jährige nach dem Novemberdebakel 2023 (Niederlagen gegen die Türkei und Österreich) nicht mehr nominiert wurde. Doch auch wenn Goretzka beim FC Bayern wieder eine gewichtige Rolle spielt. Seine Startelfquote liegt in der Liga bei nur 38 Prozent, in der Champions League sind es immerhin 58 Prozent.

Es ist das alte Problem der Bundestrainer: Der Zugriff auf ihre eigenen Spieler ist begrenzt. Es bleibt nur das Hoffen, dass die Vereinstrainer die richtigen Entscheidungen treffen. Zumindest an einer Stelle klappt das: Auf der Torwartposition bekommen auch die Talente viel Spielzeit – darunter Noah Atubolu vom SC Freiburg, Tjark Ernst von Hertha BSC oder der gerade frisch zum FC Bayern gewechselte Jonas Urbig. Immerhin droht dort kein Mangel.

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