Der große Paukenschlag in der Leiharbeitsbranche blieb am Ende vor dem Bundesarbeitsgericht aus: Die gängige Praxis, wonach Leiharbeitnehmer per Tarifvertrag schlechter bezahlt werden dürfen als Stammbeschäftigte, hat Bestand. Die Tarifverträge in der Leiharbeit widersprechen nicht dem EU-Recht, urteilte der Fünfte Senat in Erfurt.
Damit unterlag eine befristet beschäftigte Leiharbeitnehmerin aus Bayern, die sich für gleichen Lohn wie die Kernarbeitnehmer seit Jahren durch die Instanzen geklagt hatte, nunmehr auch vor den obersten Arbeitsrichtern. Es seien in der Zeitarbeit wirksame Regelungen getroffen worden, um vom Gleichstellungsgrundsatz abweichen zu können, begründete der Vorsitzende Richter des Fünften Senats, Rüdiger Linck.
Das Urteil war mit Spannung in der Branche erwartet worden, nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) zuvor in dem jetzt entschiedenen Streitfall klare Regeln vorgegeben hatte. Die Luxemburger Richter entschieden im vergangenen Dezember, dass Leiharbeiter nur dann tariflich schlechter bezahlt werden dürfen, wenn diese Ungleichbehandlung im Tarifvertrag an anderer Stelle ausgeglichen wird – etwa durch zusätzliche Freizeit. Es geht dabei um die Achtung des sogenannten Gesamtschutzes. Ein solcher Ausgleich ist nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts der Anspruch auf die Fortzahlung von Entgelt in entleihfreien Zeiten.
Laut Gesetz bekommen Leiharbeiter in Deutschland – anders als etwa in Frankreich – auch für die Zeiten Entgelt fortgezahlt, in denen sie nicht entliehen sind. Die Vergütung in einsatzfreien Zeiten sei vom Gesetzgeber festgelegt – der Ausgleich müsse daher auch nicht durch den Tarifvertrag erfolgen, argumentierte der Senat. Dies gelte auch bei befristeten Beschäftigungsverhältnissen. Zudem verwiesen die Erfurter Richter auf staatlich festgesetzte Lohnuntergrenzen, welche die tarifliche Vergütung von Leiharbeitern nicht unterschreiten darf. Zudem sei inzwischen die Zahlung geringerer Löhne grundsätzliche auf die ersten neun Monate des Leiharbeitsverhältnisses begrenzt.
Die Gewerkschaftsseite bedauerte den Richterspruch. „Es ist uns nicht gelungen, den Gleichbehandlungsgrundsatz durchzusetzen“, sagte Rudolf Buschmann vom DGB-Rechtsschutz, der die Klägerin in Erfurt vertrat. In der Verhandlung hatte Buschmann erklärt, dass die Vergütung in einsatzfreien Zeiten seiner Ansicht nach kein Ausgleich für die tarifliche Schlechterstellung von Leiharbeitern sein kann. „Die Stammbeschäftigten haben diesen Vorteil auch, damit gibt es keine Besserstellung der Leiharbeiter“, hatte Buschmann argumentiert.
Der Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Däubler zeigte sich ebenfalls enttäuscht: „Das Bundesarbeitsgericht hat die korrekte Umsetzung des EuGH-Urteils vermieden und damit eine gute Chance auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit vertan.“ Der Ausgleich für Schlechterstellungen müsse laut EuGH im Tarifvertrag erfolgen, da reiche die gesetzliche Regelung nicht aus, meinte Däubler. Der Rechtsvertreter des beklagten Unternehmens, Oliver Bertram, sprach hingegen von einem ganz wichtigen Urteil: „Das Tarifsystem kann so bestehen bleiben.“ Die beiden Arbeitgeberverbände in der Zeitarbeit – der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) und der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) – sehen mit der Entscheidung die Tarifautonomie auch für die Zukunft gestärkt. „Der Schritt in die Tarifbindung war für die Zeitarbeitsbranche ein wichtiger Schritt“, erklärten beide Verbände in einer gemeinsamen Mitteilung.