Nach der schwachen Mai-Steuerschätzung ist die nach unten korrigierte Einwohnerzahl Mecklenburg-Vorpommerns infolge der jüngsten Bevölkerungszählung die nächste schlechte Nachricht für die Finanzen des Landes. Die nach dem Zensus 2022 um rund 56.000 geringere Einwohnerzahl werde finanzielle Auswirkungen haben, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums am Mittwoch in Schwerin der Deutschen Presse-Agentur. „Wir werden weniger auf der Einnahmenseite haben.“
Das Finanzministerium hatte vorigen Monat auf Basis der Mai-Steuerschätzung mitgeteilt, dass MV für dieses Jahr mit 96 Millionen Euro weniger Steuereinnahmen und 2025 mit 150 Millionen Euro weniger rechnen müsse.
Zu den Zensus-Auswirkungen sagte die Sprecherin, der Länderfinanzausgleich berücksichtige die Zahl der Einwohner. Mecklenburg-Vorpommern ist ein Empfängerland. Wie groß die Auswirkungen sind, sei noch unklar. Dies werde im Finanzministerium derzeit berechnet. Da der Zensus die Bevölkerungszahl zum 15. Mai 2022 festgestellt habe, seien auch die Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich für 2022 und 2023 betroffen.
Die Kommunen in MV, bei denen die Einwohnerzahlen teils kräftig nach unten korrigiert wurden, befürchten ebenfalls Löcher in der Kasse. Geldzuweisungen des Landes werden oft anhand der Einwohnerzahl festgelegt. Die Landeshauptstadt Schwerin prüft nach Worten von Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) aktuell, beim Statistischen Amt des Landes Mecklenburg-Vorpommern Widerspruch gegen den Zensus-Bescheid einzulegen.
„Wie schon beim letzten Zensus 2011 sind die aus dem Zensusbericht resultierenden Differenzen zu unseren eigenen statistischen Daten nicht zu erklären“, monierte Badenschier. „Warum eine statistische Methode, die eine 10-prozentige Stichprobe hochrechnet, genauer sein soll als ein Einwohnermelderegister, das alle Menschen zählt, die hier ihren Wohnort anmelden, erschließt sich mir weiterhin nicht.“
Laut der Datenerhebung des Landes zum Stichtag 15. Mai 2022 lebten in Schwerin 96 447 Menschen. Das sind 1328 weniger als nach den bisherigen Statistiken gedacht. Für Rostock wurden dem Amt zufolge 6150 Einwohner weniger als bisher gedacht ermittelt. In ganz Mecklenburg-Vorpommern lebten laut Zensus-Ergebnis am Stichtag 1.571.239 Personen. Das sind dem Amt zufolge 56.217 weniger, als bis dahin in der Bevölkerungsfortschreibung geführt worden waren.
In der Gruppe der jungen Erwachsenen sind die Verluste besonders ausgeprägt, wie der NDR nach einer Auswertung der Zensus-Daten meldete. Die Analyse des NDR bezieht sich dabei auf die Veränderung gegenüber den Zahlen aus dem vorigen Zensus aus dem Jahr 2011.
Das Statistische Amt verteidigte seine Zahlen. „Die Methodik des Zensus 2022 ist umfassend wissenschaftlich geprüft“, erklärte der zuständige Abteilungsleiter Henry Lewerentz. „Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder haben mit dem Zensus 2022 realitätsgerechte Bevölkerungszahlen ermittelt.“ Vorgenommen wurden demnach eine stichprobenartige Befragung von Haushalten, die hochgerechnet wurde, sowie eine Vollbefragung in Wohnheimen und Gemeinschaftsunterkünften.
Möglicher Grund: Wegzug ohne Abmeldung
Laut Deutschem Städtetag kann ein Grund für einen Bevölkerungsrückgang laut Zensus-Ergebnissen sein, dass sich ausländische Einwohner nicht abgemeldet haben, wenn sie aus Deutschland weggezogen sind. Bundesweit habe es bei den Zensus-Ergebnissen erhebliche Abweichungen bei der Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer gegeben.