Der heutige Dienstagabend in Frankfurt wird knallig. Das ist schon vor dem Anpfiff amtlich. Während die Niederländer, nächster Gegner der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, im klassischen Orange auflaufen, präsentiert das DFB-Team erstmals in einem Spiel (ab 20.45 Uhr) die neuen pink-lila Trikots.
Der nächste Knalleffekt? Der Wechsel des Jerseys soll das Einzige sein, was sich beim Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann ändert. In der Startelf soll alles bleiben, wie es ist. Die Protagonisten von Lyon, die Vize-Weltmeister Frankreich am Samstagabend überrumpelt hatten (2:0), haben sich einen kleinen Kredit erspielt.
So etwa Joshua Kimmich auf der rechten Seite, der Mbappé entnervte. Oder Robert Andrich als Nebenmann des überragenden Rückkehrers Toni Kroos. Oder auch Jonathan Tah, der Leverkusener Abwehrchef, der im Trikot mit dem Adler auf der Brust wohl noch nie so gut war, wie in Lyon. Und auch Maxi Mittelstädt darf weiter mittun, auch wenn er sich gegen Ousmane Dembélé gelegentlich etwas schwertat. Aber ein Meister …, man kennt das.
„Es sind alle fit, bis auf ein, zwei minimale Wehwehchen“, erklärte der Bundestrainer am späten Nachmittag. „Das Spiel war intensiv, aber es ist geplant, dass es die Elf wird wie gegen Frankreich. Trotzdem warte ich die Eindrücke aus dem Abschlusstraining gleich ab.“ Sollte dort niemand abfallen, müde wirken oder sich verletzen, dann gibt es keine Änderungen. Das könnte auch mit Blick auf die Europameisterschaften Bestand haben, mit einer Ausnahme: Sollte Manuel Neuer fit sein, wird er wieder die Nummer eins werden. Marc-André ter Stegen kann da vermutlich tun, was er will, etwa eine Topchance von Kylian Mbappé entschärften, und er wird es trotzdem nicht als Stammkraft zum Turiner in der Heimat schaffen. Das könnte auch Leroy Sané passieren. Der gesperrte Bayern-Star stößt am Dienstag zwar zur Mannschaft, darf diese aber nur von der Tribüne unterstützen.
Das muss indes nicht unbedingt so bleiben. Von jenen Spielern, die wieder ins Team drängen, dürfte er einer der aussichtsreichsten Kandidaten sein. Wenn er denn in seiner besten Form spielt. Dass es nur darum geht, macht der Bundestrainer seit Wochen klar. „Er hat eine Qualität, auf die wir nicht verzichten wollen oder verzichten können“, sagte Nagelsmann, doch auch Sané müsse „sich eingliedern“. Sprich: Der Flügelstürmer müsse seine Rolle akzeptieren, ganz egal, wie sie ausfällt. Da bleibt der Bundestrainer hart. Die Rollengespräche zu Beginn der Maßnahme im Teamquartier in Neu-Isenburg, betonte Nagelsmann, habe er schließlich „mit einer gewissen Idee geführt“. Jeder wisse um seine Aufgabe – der Stamm der „ersten zwölf, 13“ Spieler, wie der Coach es nennt, wie auch die vielen Herausforderer um die formstarken Stuttgarter Waldemar Anton oder Deniz Undav.
Im Subtext sind die Signale auch unmissverständliche Botschaften an derzeit außer Dienste gestellte Kräfte wie Bayerns Maschinisten Leon Goretzka. Oder auch die komplette Dortmunder Defensive um Mats Hummels, Nico Schlotterbeck oder Niklas Süle. Zwar bleibt die Tür offen, aber einfach durchschreiten, das ist nicht mehr. Wer im Sommer im eigenen Land dabei sein will, der muss sich mit Verve dagegen werfen. Und selbst dann ist nicht klar, ob der Spalt noch einmal so groß wird, um sich wirklich hindurch zu quetschen. Was aber in die eine Richtung vorgegeben ist, hat auch in die andere Bestand. Eine starke Leistung nach unzähligen Gurkenauftritten der Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren ist keine Vollmacht für einen sicheren Kaderplatz im Sommer.
Und so muss gegen Niederlande erneut eine Leistung her, die das zarte Pflänzchen der Hoffnung gießt. Was für ein prima Auftrag gegen die Nation der Tulpen. „Wir dürfen jetzt nicht in Hysterie verfallen und uns nicht in den Extremen bewegen, von ganz schlecht bis ganz gut“, mahnt der Bundestrainer. „Wir haben einen Schritt gemacht und sind eingebogen auf die Straße Richtung Heim-EM. Es geht nun darum, dass die Mannschaft an diesen Weg glaubt. Auch wenn sie mal einen negativen Moment hat.“ Und so wünscht sich Nagelsmann auch eine weitere Entwicklung bei seinen Spielern. Er will vor allem von seinen mitreißenden Zauberern Jamal Musiala, Florian Wirtz und Kai Havertz im Angriff erneut Mut zu Entscheidungen sehen.
Dinge, die gegen Frankreich noch nicht so nach seinem Geschmack gelaufen waren, sollen nun gelingen. „Wir sind in den ersten 20 Minuten zu wenig vors Tor gekommen. Vor der Pause war es dann besser. Wir wollen die Sachen spielerisch lösen, besser in die Abläufe kommen, wenn wir Mann-gegen-Mann gepresst werden. In der zweiten Halbzeit war das deutlich besser. Eine Bereitschaft für Gegenpressing, wie ich sie gegen Frankreich am Ende gesehen habe, die will ich gerne morgen auch sehen.“
Und was möchte er hören? Berechtigte Frage. Doch in der entbrannten Torhymnen-Diskussion über den 80er-Jahre-Welthit „Major Tom“ hat der Coach keine besonderen Vorlieben. „Ich bin ehrlich: Ich schreie bei eigenem Tor immer so laut, dass ich die Musik immer sehr spät wahrnehme. Ich klatsche mit 30 Leuten ab, dann ist es immer schon vorbei.“ Tausende Fans bestürmen den DFB seit Tagen vor allem bei Instagram und X, künftig das Lied mit der eingängigen Zeile „Völlig losgelöst von der Erde“ abzuspielen, wenn ein Tor fällt. Eine entsprechende Online-Petition fand Zehntausende Unterstützer. Bisher ertönt „Kernkraft 400“ von Zombie Nation. Die möchte die deutsche Nationalmannschaft aber ja ohnehin nicht mehr sein.