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Voller Leistungsentzug möglich: Schwarz-Rot plant deutliche Verschärfungen für Arbeitslose

Wann kann Friedrich Merz endlich bei seinen eigenen Leuten glänzen und sein Skalp von der SPD hochhalten? In den bisherigen Koalitionsgesprächen haben die Sozialdemokraten – für den Geschmack vieler aus CDU und CSU – zu viel herausgeschlagen. Das gilt insbesondere für das weitgehende Schleifen der Schuldenbremse.

Im Bundestagswahlkampf hatte CDU-Chef Merz geworben, beim Bürgergeld ließen sich zweistellige Milliardenbeträge einsparen. Beim Bürgergeld zeichnen sich Verhandlungsergebnisse der Arbeitsgruppe aus Unions- und SPD-Politikern nun tatsächlich tiefgreifende Veränderungen ab. Auch wenn längst nicht alle Punkte geeint sind: Das Bürgergeld in seiner bisherigen Form scheint bald Geschichte zu sein.

„Das bisherige Bürgergeldsystem gestalten wir zu einer neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende um“, heißt es in dem Papier. Die folgenden Punkte erinnern stark an das Prinzip von „Fördern und Fordern“, das das umstrittene Hartz IV kennzeichnete. Wer arbeiten kann, soll auch arbeiten gehen. „Bei Menschen, die arbeiten können und wiederholt zumutbare Arbeit verweigern, wird ein vollständiger Leistungsentzug vorgenommen“, lautet eine der zwischen den Verhandlern geeinten Zeilen. Genauso hatte es auch der CDU-Chef und designierte Bundeskanzler Friedrich Merz angekündigt. Die SPD dagegen zierte sich, zählte doch die Einführung des Bürgergelds anstelle der Leistungen nach SGB II aus Sicht von Sozialdemokraten und Grünen zu den Errungenschaften der vormaligen Ampel-Koalition.

Wer arbeiten kann, muss arbeiten

Das Papier hält fest, dass sich der vollständige Leistungsentzug an der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts orientieren müsse. „Der Gesetzgeber kann die Inanspruchnahme existenzsichernder Leistungen an den Nachranggrundsatz binden, solche Leistungen also nur dann gewähren, wenn Menschen ihre Existenz nicht selbst sichern können“, hatte Karlsruhe schon im November 2019 geurteilt, dafür allerdings Bedingungen geknüpft. „Jede arbeitslose Person hat sich aktiv um Beschäftigung zu bemühen“, sind sich Union und SPD einig. Sanktionen bei der Grundleistung sollen „schneller, einfacher und unbürokratischer durchgesetzt werden können“.

Der Vorrang der Vermittlung in Arbeit soll sich auch darin ausdrücken, dass die Jobcenter mehr Geld für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt erhalten sollen. Wer krank oder nicht ausreichend qualifiziert ist, soll schneller fit gemacht werden für den Arbeitsmarkt. Auch dafür soll Geld zur Verfügung stehen. Zudem soll es wieder verpflichtend Termine beim Jobcenter geben. Diese stehen damit aber vor nicht unerheblichen Herausforderungen: Die Vermittlungen durch die Betreuer der Leistungsbezieher haben seit den Hartz-Reformen 2005 stark nachgelassen.

Im Februar waren knapp drei Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos gemeldet. Wie viele davon tatsächlich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen – Merz sprach von 1,7 Millionen – und helfen könnten, den immensen Arbeitskräftemangel in Deutschland zu mildern, ist politisch hochumstritten. Schwarz-Rot will erkennbar den Druck erhöhen, sich auch außerhalb der bisherigen Branche und des angestammten Wohnorts um Jobs zu bemühen. So soll etwa die Karenzzeit für Schonvermögen wegfallen. Bislang können Bürgergeldbezieher im ersten Bezugsjahr bis zu 40.000 Erspartes haben. Erst danach dürfen maximal 15.000 anrechnungsfrei behalten werden. Die Höhe des Schonvermögens soll sich künftig stärker am Lebensalter orientieren.

Was bekommen Asylbewerber und Ausreisepflichtige?

Streit gibt es um die Sozialleistungen für Asylbewerber: Zwar wollen alle drei Parteien die Bezahlkarte deutschlandweit einführen, damit Asylbewerber kein Bargeld in die Herkunftsländer schicken. Dass die Union aber Umtauschbörsen von mit Bezahlkarten erworbenen Gutscheinen gegen Bargeld unter Strafe stellen will, geht der SPD zu weit. Ebenso lehnen die Sozialdemokraten bislang die Formulierung ab: „Wir werden die Leistungen auf das Minimum absenken, insbesondere für Geduldete, Menschen, für die ein anderer Staat zuständig ist, oder dort Schutz oder ein Aufenthaltsrecht erhalten haben und sonstige Ausreisepflichtige.“

Wer dagegen in Deutschland bleiben darf, soll schneller in Arbeit kommen. Die SPD will Arbeitsverbote für Flüchtlinge nach spätestens drei Monaten aufheben, da ist aber noch die Union dagegen. Der Spracherwerb soll auch parallel zur Arbeitsaufnahme möglich werden. Auch Frauen mit Migrationshintergrund, die bisher nicht ausreichend Deutsch sprechen oder anderweitige Qualifizierungen missen, sollen durch bessere Betreuungsangebote für ihre Kinder und mehr Integrationskurse schneller in Arbeit kommen.

Frauen soll zudem die Erwerbsaufnahme beziehungsweise die Vollzeitberufstätigkeit erleichtert werden, indem Familien ein jährliches Budget für Alltagshelfer wie Nannys und Putzkräfte bekommen. Die Union hat sich zur Prüfung eines solchen Budgets bereit erklärt, die SPD pocht auf die verbindliche Formulierung „einführen“. Die Union würde lieber die steuerliche Absetzbarkeit solcher Dienstleistungen erhöhen. Davon profitierte aber nur, wer überhaupt ein nennenswertes Steueraufkommen abführen muss. So oder so: Die attraktivere legale Beschäftigung solcher Dienstleister soll auch die Schwarzarbeit zurückdrängen.

Ab Freitag besprechen die Hauptverhandler von CDU, CSU und SPD alle strittigen Themen, darunter auch die Zukunft der Rente. Beim Bürgergeld gibt es offenkundig nur noch wenig zu besprechen.

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