„Weltoffenheit ist das Herzstück unserer Branche“: Der Deutsche Tourismusverband (DTV) warnt nach den Ergebnissen der Bundestagswahlen vor zunehmender Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Rassismus. „Ohne internationale Gäste und qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland können wir die Attraktivität Deutschlands als Reiseland nicht aufrechterhalten“, sagte Reinhard Meyer, Präsident des DTV.
Der Tourismus in Deutschland sei in hohem Maße auf internationale Gäste angewiesen. „Sie tragen maßgeblich zur Wertschöpfung bei und beleben die touristischen Destinationen im ganzen Land“, schreibt der DTV. Gleichzeitig seien ausländische Arbeits- und Fachkräfte unverzichtbar, um den Fachkräftemangel in der Branche zu bekämpfen. „Im Ausland werden die politischen Entwicklungen in unserem Land sehr genau beobachtet“, erklärte Meyer. „Wir brauchen jetzt eine klare und unmissverständliche Botschaft: Deutschland ist ein offenes und gastfreundliches Land, in dem sich Menschen aus aller Welt willkommen fühlen.“
Bei der Bundestagswahl hatte die in Teilen gesichert rechtsextreme AfD mehr als 20 Prozent der Stimmen erlangt. Im Vergleich zur Wahl 2021 stellte das eine Verdoppelung des Ergebnisses dar. In den ostdeutschen Flächenländern wurde die „Alternative für Deutschland“ sogar stärkste Kraft. Dieser sichtbare politische Wandel hat schon jetzt Auswirkungen auf Buchungen.
So berichtete Ende vergangener Woche eine Tageszeitung, dass einzelne Hoteliers in Mecklenburg-Vorpommern Stornierungen beklagen. So wird Bernd Herrgott aus Ahlbeck zitiert, der nach der Bundestagswahl „seltsame Anrufe“ und Mails erhalten haben will. Darin kündigten Gäste demnach an, ihren geplanten Urlaub wegen des guten AfD-Wahlergebnisses stornieren zu wollen. Im Nordosten wählte jeder Dritte die AfD (35 Prozent der Zweitstimmen).
„Weltoffenheit ist für uns nicht nur ein Schlagwort“
Nach Angaben von Lars Schwarz sei dies bei weitem kein Einzelfall. Der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Mecklenburg-Vorpommern sagte der OZ: „Ich bekomme von den Mitgliedern jeden Tag Informationen, dass Gäste mit der Begründung ‚AfD‘ stornieren.“ Er selbst betreibe ein Hotel in Gnoien. „Das ist ein Thema, das uns massiv umtreibt.“
Hotelier Herrgott, der für die CDU im Stadtrat von Ahlbeck sitzt, sagte der Zeitung, er habe bereits erfolgreich Gäste umstimmen können, die auf einen Urlaub in ihrem „Lieblingshotel“ Strandhus auf Usedom verzichten wollten. Bei einer Anruferin gelang es ihm demnach nicht. Sie verwies bei ihrer Absage des geplanten Urlaubs darauf, dass sie und ihr „dunkelhäutiger Mann“ sich nicht mehr sicher fühlen würden.
Der Chef des Steigenberger Hotels in Heringsdorf, wo 43,1 Prozent für die AfD stimmten, sieht die Dinge im Gespräch mit der OZ etwas entspannter. „Ich glaube nicht, dass wir im Tourismus das Wahlergebnis an einem messbar veränderten Buchungs- oder Stornierungsverhalten kurzfristig werden festmachen können.“ Carsten Willenbockel zufolge kämen die Gäste des Hotels ohnehin „zum ganz großen Teil aus den östlichen Bundesländern“.
„Weltoffenheit ist für uns nicht nur ein Schlagwort, sondern eine gelebte Realität“, betont derweil DTV-Präsident Meyer. Bereits im Januar habe der Tourismusverband eine Anwerbeoffensive der Bundesregierung gefordert, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Diese Forderung werde nun angesichts der aktuellen Entwicklungen bekräftigt. Weltoffenheit sei die Grundlage „unseres Erfolgs und unserer Identität“, so Meyer. „Wir setzen uns mit Nachdruck dafür ein, dass Deutschland ein offenes und gastfreundliches Reiseland bleibt.“