Max Eberl ist neuer Sportvorstand beim FC Bayern München. Rund sechs Monate nach seiner Freistellung bei RB Leipzig übernimmt der 50-Jährige den deutschen Fußball-Rekordmeister. Der Ur-Bayer soll den Klub aus einer Sinnkrise führen und den wohl größten Umbruch der jüngeren Vereinsgeschichte einläuten. Denn die Situation beim FC Bayern ist trotz des Last-Minute-Siegs gegen RB Leipzig am vergangenen Samstag (2:1) verfahren.
Die Meisterschaft? So gut wie verloren! Der Trainer? Muss zum Saisonende gehen! Der DFB-Pokal? Blamage in Saarbrücken! Der Weg zum Finale in der Königsklasse? Mindestens steinig! Die Vereinslegenden Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge? Auf dem Rückzug. Nach turbulenten Wochen an der Säbener Straße steht erneut alles auf dem Prüfstand. Vor dem neuen Sportvorstand Max Eberl liegt ein gewaltiger Berg Arbeit, der mit einer erfolgreichen Trainersuche für die kommende Spielzeit nicht abgetragen sein wird.
„Ich habe meine gesamte Kindheit und Jugend beim FC Bayern und in München verbracht, daher ist es etwas Besonderes für mich, jetzt in neuer Rolle wieder zu dem Verein zurückzukehren, bei dem alles begonnen hat“, sagte Eberl: „Die Aufgabe als Sportvorstand ist eine große Herausforderung, die ich mit viel Respekt und Demut, allerdings mit noch mehr Vorfreude angehen werde.“
Eine seiner ersten Aufgaben wird es, einen Nachfolger für den zum Saisonende scheidenden Thomas Tuchel zu finden. Viele Namen werden mit dem Rekordmeister in Verbindung gebracht, unter ihnen auch der ehemalige Bayern-Trainer und heutige DFB-Coach Julian Nagelsmann. Der könne sich eine Rückkehr nach der EM vorstellen, heißt es dieser Tage auf dem Boulevard. Aber auch der künftige Meistertrainer Xabi Alonso oder Zinédine Zidane sind im Gespräch. Wer auch immer es sein wird, der FC Bayern hofft nach zu vielen Wechseln auf dem Trainerstuhl seit dem Abgang von Pep Guardiola im Sommer 2016 auf eine langfristige Lösung.
„Wir wollen auf dem Trainerstuhl mehr Kontinuität. Das streben wir an“, hatte Vorstandschef Jan-Christian Dreesen am Wochenende gesagt und ebenfalls den wohl anstehenden Kaderumbruch angedeutet. Präsident Herbert Hainer sekundierte ihm: „Wir müssen uns am Ende der Saison hinsetzen und analysieren, was ist los. Warum spielen wir nicht so gut? Liegt es nur am Trainer oder müssen wir auch in der Mannschaft was ändern?“
Das Fachmagazin „Kicker“ schenkte der angekündigten Analyse noch das Adjektiv „gnadenlos“ und ergänzte, dass bei dieser „selbst bei großen Namen kein Halt gemacht“ würde. Es dürfte nun an Eberl sein, den schwierigen Übergang mit womöglich tiefen Einschnitten im Kader, der in den kommenden Jahren mit den Veteranen Manuel Neuer und Thomas Müller zwei absolute Schlüsselspieler der 2010er- und beginnenden 2020er-Jahre verlieren wird, zu schaffen.
Bereits in diesem Sommer könnte unter anderem Alphonso Davies den Verein verlassen. Der kanadische Linksverteidiger war der Shootingstar der Saison 2019/2020 und lange Zeit ein Paradebeispiel für gutes Scouting. Zuletzt jedoch stagnierte der mittlerweile 23-Jährige. Er wird ein Jahr vor seinem Vertragsende im Sommer 2025 mit einem Wechsel zu Real Madrid in Verbindung gebracht.
Neben Davies könnte es auch Nationalspieler wie Leroy Sané, Serge Gnabry oder Leon Goretzka treffen. „Mindestens fünf Spieler, unabhängig von Eric Maxim Choupo-Moting und Bouna Sarr, sollen abgegeben werden. Über die Zukunft von insgesamt zwölf Spielern wird diskutiert, weitere Abgänge sind keineswegs ausgeschlossen“, schreibt der „Kicker“. Auch die Zukunft von Joshua Kimmich, dem ehemaligen zukünftigen Kapitän des FC Bayern, ist immer noch ungewiss. Das Fachmagazin berichtet auch über Umstrukturierungen in der Führungsetage. So soll der erst im Sommer verpflichtete Sportdirektor Christoph Freund künftig mehr „in die Nachwuchsarbeit und den Übergang zu den Profis eingebunden werden“.
Der ehemalige Bayern-Amateur Eberl, der rund 15 Jahre für die Bayern gespielt hat, bevor er bei anderen Vereinen zu einem erfolgreichen Bundesliga-Spieler reifte, galt schon in seiner Zeit als Geschäftsführer Sport bei Borussia Mönchengladbach immer wieder als Kandidat für eine Aufgabe beim FC Bayern. Nach seinem überraschenden, gesundheitsbedingten Rückzug am Niederrhein im Januar 2022 und seinem im Dezember 2022 folgenden Wechsel zu RB Leipzig als Geschäftsführer Sport schien sich der Schritt nach München erst einmal erledigt zu haben.
Max Eberl (l.) zog es nach seiner Zeit bei den Bayern-Amateuren zum VfL Bochum. Sein damaliger Gegenspieler Alexander Zickler (r.) ist aktuell Co-Trainer bei RB Leipzig, der letzten Station von Ebel. Die Fußball-Welt ist klein.
Max Eberl (l.) zog es nach seiner Zeit bei den Bayern-Amateuren zum VfL Bochum. Sein damaliger Gegenspieler Alexander Zickler (r.) ist aktuell Co-Trainer bei RB Leipzig, der letzten Station von Ebel. Die Fußball-Welt ist klein.
Nach nicht einmal einem Jahr aber trennte sich RB Leipzig von Eberl, der intern und extern einer klaren Antwort auf die immer wieder aufploppenden Gerüchte über einen Wechsel zum FC Bayern ausgewichen war. Die Sachsen hatten Eberl bei der Trennung „fehlendes Commitment“ vorgeworfen. Seit seinem Aus in Leipzig, ausgerechnet Stunden vor einem Liga-Spiel gegen den FC Bayern, hatten sich die Gerüchte verdichtet und waren quasi Gewissheit geworden.
Eberl tritt die Nachfolge von Hasan Salihamidžić an. Der hatte den Posten als Sportvorstand in der turbulenten Schlussphase der vergangenen Saison verlassen müssen. Der Bosnier war vom 1. Juli 2017 bis zum Sommer 2020 Sportdirektor und wurde dann befördert. Seine Zeit endete mit dem Schlusspfiff der Saison 2022/2023. Als der FC Bayern in Köln die überraschende Meisterschaft feierte, erfuhr Salihamidžić von seinem Aus.
„Ich akzeptiere das natürlich. Ich hätte gerne weitergemacht, da ich mit dieser Mannschaft unbedingt noch mal die Champions League gewinnen wollte. Ich bin stolz, fast sechs Jahre in sportlicher Verantwortung für den FC Bayern gearbeitet zu haben“, hatte Salihamidžić damals gesagt und betont, dass er trotzdem Freund des FC Bayern bleiben wolle.
Die Situation beim FC Bayern im Frühsommer 2023 war derart dramatisch, dass sogar die langjährigen Führungsfiguren Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß in das Tagesgeschäft zurückdrängten, um den vom Weg abgekommenen Giganten zurück in „ein ruhiges Fahrwasser“ zu setzen, hatte Ehrenpräsident Hoeneß bereits im vergangenen Jahr gesagt. Mit der Verpflichtung von Eberl soll dieses nun erreicht sein. Die beiden Vereinsikonen wollen sich wieder zurückziehen, den Verein zwar weiter „wohlwollend beraten“, jedoch nicht mehr ständig präsent sein, hatte Hoeneß im Herbst 2023 angekündigt.
Hoeneß und Rummenigge hatten sich auf ihre Rettungsmission begeben, nachdem der Kader des FC Bayern in den Jahren unter Salihamidžić immer mehr an Identität und Qualität verloren hatte, während hohe Ablösesummen und immense Gehälter den Verein auch finanziell belasteten. Unter dem Druck der internationalen Top-Klubs und aus dem eigenen Selbstverständnis des Vereins heraus, kein Verkäuferklub zu sein, hatte sich vor allen Dingen die Kaderbreite aufgrund der immer höheren Personalkosten extrem reduziert. Noch-Trainer Tuchel hatte die fehlende Breite des Kaders bereits im vergangenen Sommer kritisiert und war darüber kurzzeitig auch mit Hoeneß aneinandergeraten.
Salihamidžić und dem Vorstandsvorsitzenden Oliver Kahn wurde im Mai 2023 auch die vorzeitige und übereilte Trennung von Julian Nagelsmann zur Last gelegt. Der aktuelle Bundestrainer hatte im März 2023 seine Sachen packen müssen. Nagelsmann hatte den beiden in der vergangenen Woche im „Spiegel“ Vertrauensbruch vorgeworfen und fehlende Ausdauer der damaligen Führungsetage bemängelt. „Die Trainer bei Bayern München bekommen nicht so viel Zeit, um etwas zu entwickeln“, hatte er gesagt.
Das Ziel ist klar: Finale dahoam!
Nagelsmanns Nachfolger Thomas Tuchel sitzt nun auch bereits auf gepackten Koffern und wird den Rekordmeister spätestens zum Saisonende verlassen. Wenn auch über die Umstände der Trennung weiter geschwiegen wird, so deutet alles auf einen Bruch zwischen dem momentanen Bayern-Trainer und der Führungsetage hin.
Es ist nun an Eberl, die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft des FC Bayern zu stellen. Das große Ziel des Klubs ist schon lange formuliert: Die Bayern wollen am Ende der Spielzeit 2024/2025 im Finale der Champions League stehen. Das wird erstmals seit 2012 wieder in München ausgetragen. Damals hatte der FCB das „Finale dahoam“ dramatisch gegen Chelsea verloren. Seither standen sie noch zweimal im Endspiel – 2013 gegen Borussia Dortmund und 2020 gegen Paris Saint-Germain. Beide Finals konnten die Bayern gewinnen.
Doch zuletzt hatte der Rekordmeister in der Königsklasse geschwächelt. In drei aufeinanderfolgenden Spielzeiten war für die Bayern im Viertelfinale Schluss, nicht immer gegen die absolute Top-Klasse Europas. So schieden die Münchener 2021/2022 vollkommen überraschend gegen den spanischen Vertreter Villarreal aus. In dieser Saison ging das Achtelfinal-Hinspiel bei Lazio Rom mit 0:1 verloren. Im Rückspiel in der kommenden Woche sind die Bayern trotzdem Favorit. Sollten sie die Runde nicht überstehen, könnte Eberl womöglich dazu gezwungen sein, auch noch einen Übergangstrainer bis zum Sommer zu suchen.