Montag, 23.September 2024 | 07:16

Überraschende DFB-Personalien: Nagelsmann deutet große Entscheidungen an

Share

Gemessen am Applaus, den Julian Nagelsmann am Samstagabend im “Sportstudio” des ZDF erhalten hatte, hat der immer noch neue Bundestrainer weiterhin einen guten Kredit bei den Menschen, die er im nächsten Sommer mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft begeistern will. Bei der Heim-EM, die doch unbedingt ein Sommermärchen werden soll, aber derzeit eher Alptraum-Szenarien hervorruft. Das DFB-Team ist in der öffentlichen Wahrnehmung deutlich näher am nächsten Turnier-GAU als an einer großen Überraschung.

Einen wurmt das besonders, Nagelsmann nämlich. Der weiß um die historische Chance, für sich und für seine Fußballer. Eine Heim-EM, das erlebt nicht jeder. Und wenn, dann höchstens einmal im Leben. Und so wirbt er im Land für mehr Optimismus, auch wenn er weiß, dass die Mannschaft absolut in der Pflicht steht, sich um den atmosphärischen Umschwung verdient zu machen. Die teilweise erschreckenden Leistungen im November gegen die Türkei und Österreich waren daher toxisch. “Ich wusste, dass es schwierig ist, eine sehr große, aber auch reizvolle Aufgabe”, sagt Nagelsmann und hatte fortan ein paar Kniffe parat, um gute Gefühle zu verbreiten.

Die Zusammenstellung der Mannschaft ist und bleibt das große Thema. Hat Deutschland die Qualität, um 2024 tatsächlich im Konzert der Großen mitzumischen, um Länder wie England, Frankreich oder Spanien ernsthaft herauszufordern? Beantworten konnte Nagelsmann diese Frage natürlich nicht. Aber er glaubt, dass er mit ein paar Änderungen an der Kaderstruktur die gravierenden Probleme des Teams beheben kann.

Die betreffen vor allem die Abwehr. Weder er noch sein Vorgänger Hansi Flick war es gelungen, die letzte Reihe so zu schließen, wie es vielleicht zuletzt beim WM-Titel 2014 gelungen war, als die Heldengrätscher Mats Hummels und Jérôme Boateng alles abgeräumt hatten. Flankiert von einem Philipp Lahm auf der rechten Seite, der zu Beginn des Turniers noch auf der Sechs eingeplant worden war. Und dieses Modell dient nun auf Nagelsmann offenbar als Vorbild.

Denn er denkt offenbar intensiv über eine Kehrtwende nach und will Joshua Kimmich aus der Zentrale abziehen und hinten rechts platzieren. “Durch eine kleine Anpassung, es ist keine 180-Grad-Wandlung, ist auch Josh ein Kandidat auf dieser Position”, sagte Nagelsmann. Er habe “natürlich” mit ihm auch darüber gesprochen, “es wäre, glaube ich, nicht klug mich hierhin zu setzen und (es) zu sagen, ohne ihn darüber zu informieren.” Und der Antreiber des FC Bayern kann sich mit dem Plan offenbar anfreunden, er wolle helfen, wo er helfen kann.

Auch über die linke Seite sprach Nagelsmann, dort hatte er zuletzt Kai Havertz aufgeboten. Als eine Mischung aus Außenverteidiger, Schienenspieler und verkapptem Spielmacher. So ganz genug verstanden, was der Auftrag des Spielers des FC Arsenal ist, hatte die Fußball-Nation nicht. Und sie muss sich nun auch keine weiteren Gedanken darum machen. Das Experiment ist beendet. “Er hat nicht ganz hinten links gespielt. Aber das ist vorbei. Aber nicht, weil es gescheitert ist. Er hat zwei sehr gute Spiele gemacht auf dieser Position.” Das sage er nicht, weil er sich verteidigen wolle, “sondern weil ich von Kai Havertz auf verschiedenen Positionen überzeugt bin.”

Wer hinten links verteidigen soll, das sagte der Bundestrainer nicht. Aber es wird wohl jemand werden, der diese Aufgabe auch im Brot-und-Butter-Geschäft, sprich dem Vereinsfußball, regelmäßig ausübt. Denn die Verteidigung wird in den nächsten Monaten zur obersten Nationalmannschaftspflicht. “Wir haben Lehren aus diesen Spielen (Anmerk. d. Red.: Österreich und Türkei), gute Lehren gezogen. Wir müssen ein bisschen was an der Kader-Struktur ändern, um mehr Verteidigungsmonster zu werden.” Er relativierte damit den Satz, der ihm sofort wild um die Ohren geflogen war. Er gestand, dass er er in der Aufregung unmittelbar nach dem Spiel einen wichtigen Halbsatz vergessen hatte. Dieser lautet: “Wenn wir an der Kaderstruktur nichts ändern würden. Das ist der entscheidende Halbsatz, den ich da noch nicht gesagt habe. Kurz nach dem Spiel, hast Du nicht die Gedanken, wie vielleicht der nächste Kader aussehen könnte.”

Dem Bundestrainer war es auch ganz wichtig, dass er das gar nicht auf einzelne Spieler bezogen habe, sondern eher auf eine Zusammensetzung einer ersten Elf – ob sie defensiv oder eher offensiv denken würden. “Man muss einfach sagen, dass die Verteilung nicht hundert Prozent passen würde, für den Status, in dem wir gerade sind. Von daher werden wir Anpassungen vornehmen, was die Struktur der ersten Elf angeht.”

Die betrifft natürlich auch die Mittelfeldzentrale, die ja nun offenbar ohne Kimmich gebildet werden wird. Aber mit wem? Mit İlkay Gündoğan? Ja, aber nicht auf der Sechs. Der Kapitän soll künftig eine offensivere Rolle einnehmen, wie einst bei Manchester City, wo er der Dirigent der besten Mannschaft Europas war. Diese klare Verteilung von Aufgaben ist ganz im Sinne Spielmachers. Der hatte zuletzt betont, dass jeder Spieler wissen müsse,”was er auf dem Platz zu tun hat. Dann muss eine Symbiose entstehen”, sagte Gündoğan: “Eigentlich kann es nicht so schwer sein, denn wir sind ein Team mit Charakter und Anstand. Wir haben niemanden, der Probleme bereitet.”

Abgesichert werden soll Gündoğan in der Rolle von zwei defensiven Sechsern. Pascal Groß bleibt ein Kandidat. Und vielleicht auch von einem Weltmeister? Kehrt Toni Kroos noch einmal in die Nationalmannschaft zurück? Nagelsmann nannte diese Idee einen “interessanten Gedanken”. In der Schnellfragerunde im Sportstudio wollte er zunächst nicht mehr dazu sagen und verwies schlagfertig darauf, dass Nachfragen gegen die Spielregeln seien. Danach betonte er aber: “Man muss sich ja über alle Spieler, die einen deutschen Pass haben, das ist ja glaube ich mein Job, Gedanken machen.” Doch damit nicht genug, Nagelsmann feuert die Gerüchte-Glut noch ein bisschen mehr an: Er habe ganz oft Austausch mit Kroos, auch schon weit vor seiner Zeit als Bundestrainer.

Er sehe Kroos als herausragenden Spieler und herausragenden Menschen, der sehr reflektiert sei und selbstlos eine Meinung habe zu vielen Themen im Fußball. In einer Mannschaft, die nach Stabilität und Führung sucht, wäre der Mann, der sich bei Real Madrid Legendenstatus erworben hat, sicher eine Hilfe. Über die Option einer Rückkehr hätten sie indes “noch nicht so konkret gesprochen. Wir haben generell über die Nationalmannschaft gesprochen. Über seine Eindrücke”, erklärte Nagelsmann und meinte dann noch: “Ich glaube, jeder deutsche Fußballer sieht einen gewissen Reiz darin, eine Heim-EM zu spielen.” Dass es so klinge, als habe er mit Kroos darüber bereits gesprochen, sei eine Interpretation. Sie hätten nicht über die Aktualität gesprochen. Kroos sei seines Wissens aber auch mit einem deutschen Pass ausgestattet und herzlich eingeladen, die beste Leistung zu zeigen. “Wenn er die beste Leistung zeigt, kann sein, dass ich ihn noch mal anrufe”, sagte Nagelsmann.

Auch im Tor scheint eine Vorentscheidung mit Blick auf das Turnier getroffen. Der langjährige Kapitän Manuel Neuer hat gegenüber seinem Kollegen Marc-André ter Stegen zumindest für die Länderspiele gegen Frankreich (23.3.) und die Niederlande (26.3.) klar die Nase vorn. “Manuel macht das außergewöhnlich gut, sein Comeback war ein sehr emotionaler Moment. Ich finde seine Leistungen herausragend gut”, sagte Nagelsmann, der zudem auf ter Stegens Rücken-Operation verwies. Es laufe darauf hinaus, dass Neuer im März ins DFB-Tor zurückkehre.

Folge uns...

Kommentiere den Artikel

Bitte schreibe deinen Kommentar!
Bitte gib hier deinen Namen ein

lass' uns dir doch helfen

Mit einem Stichwort oder auch nur einem Namen findest du, wonach du suchst

Unser gesamtes Archiv mit tausenden Artikeln, Beiträgen und zahlreichen Informationen steht dir bei der Suche zur Verfügung. Dabei stehen dir alle Bereiche wie z.B. Politik, Sport, Wirtschaft oder Rostock, Schwerin, Wismar zur Verfügung.