Dauert ein Gerichtsverfahren zu lange, werden Tatverdächte freigelassen. In Deutschland steigen die Zahlen, in Mecklenburg-Vorpommern ist dies bisher selten.
Noch ist die Entlassung von Verdächtigen aus der Untersuchungshaft aufgrund von zu langen Verfahren ein Randphänomen in Mecklenburg-Vorpommern. Nur ein Tatverdächtiger sei im Nordosten im vergangenen Jahr deswegen auf freien Fuß gesetzt worden. Das geht aus einer Umfrage der Deutschen Richterzeitung bei den Justizministerien und Oberlandesgerichten der 16 Länder hervor.
Insgesamt steigt die Zahl der Fälle in Deutschland jedoch im Vergleich zu den Vorjahren, in mindestens 73 Fällen seien Haftbefehle wegen unvertretbar langer Verfahren aufgehoben worden. Im Jahr 2021 hatten die Justizverwaltungen der Länder 66 Fälle gemeldet, 2020 waren es 40. In den zurückliegenden fünf Jahren seien damit mehr als 300 Tatverdächtige wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots in Haftsachen wieder aus der Untersuchungshaft entlassen worden, hieß es.
Der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, sieht aufwendigere Strafverfahren als einen Grund für diese Entwicklung: Die Strafgesetze werden demnach immer komplexer und das auszuwertende Datenvolumen steige sprunghaft – etwa in Fällen von Kindesmissbrauch, Organisierter Kriminalität oder bei Wirtschaftsdelikten. „Zum anderen fehlt es der Strafjustiz bundesweit weiterhin an mindestens 1000 Staatsanwälten und Strafrichtern“, machte er deutlich. Das habe zur Folge, dass selbst vorrangige Haftsachen nicht immer in den rechtsstaatlich gebotenen Fristen erledigt werden könnten.