Viele Krisen haben die Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland einreisen, rasant ansteigen lassen. Von überallher kommen Hilferufe. Städte und Kommunen fordern mehr Geld für die Unterbringung und Integration der Menschen – doch der Bund verweist auf limitierte Mittel.
Das Krisenjahr 2022 hat Deutschland einen neuen Rekord bei den Flüchtlingszahlen eingebracht: Im vergangenen Jahr kamen mehr als eine Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland; darüber hinaus beantragten 217.774 Menschen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei und anderen Staaten erstmals Asyl – allein im Januar 2023 kamen noch einmal 29.072 Asylanträge hinzu. Viele Städte und Gemeinden geraten angesichts der schieren Zahl an Hilfesuchenden an die Grenzen des Machbaren. Einige Kommunen bringen Geflüchtete bereits in Zelten, Containerdörfern und Messehallen unter. Erinnerungen werden wach an die Krise von 2015.
Der Deutsche Städtetag fürchtet bereits zunehmende Spannungen in der Nähe von Flüchtlingseinrichtungen. In erster Linie fehlt es an Geld – nicht nur für die Unterbringung der Geflüchteten, sondern auch für zusätzliches Personal. „Viele Städte sind am Limit und benötigen dringend mehr Unterstützung für die Aufnahme von Geflüchteten“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Eckart Würzner. In der aktuellen Situation reiche es nicht, wenn Bund und Länder erst rund um Ostern über weitere finanzielle Unterstützung für die Kommunen sprechen – zumal jetzt schon klar sei, dass die zugesagten Mittel für 2023 nicht ausreichen würden.
Darüber hinaus fehlt es nach Ansicht des Städtetages an Personal sowie an Kita- und Schulplätzen für Geflüchtete. „Auch die Integrationskosten, zum Beispiel für Kita und Schule, sind bisher mit keinem Cent eingepreist“, kritisierte der parteilose Oberbürgermeister von Heidelberg. Der Bund müsse die Kosten der Unterkunft in vollem Umfang übernehmen, forderte Würzner. Zudem müssten die Verfahren rund um die Unterbringung geflüchteter Menschen rechtlich vereinfacht werden. Denn diese bräuchten jetzt ein Dach über dem Kopf. Zusätzlichen Mitteln erteilte Bundesfinanzminister Christian Linder von der FDP aber bereits eine vorsichtige Absage.
Man habe die Länder bereits entlastet und den Kommunen zusätzliche Mittel zukommen lassen, so Lindner vergangenes Wochenende. Die Möglichkeiten des Bundes seien limitiert. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser argumentiert in diese Richtung – und dämpft vor dem bevorstehenden Flüchtlingsgipfel mit Vertretern der Länder und der kommunalen Spitzenverbände die Erwartungen. „Allein im Jahr 2022 hat der Bund die Länder und Kommunen finanziell mit 3,5 Milliarden Euro unterstützt“, sagt sie dem RND. „Für dieses Jahr haben wir weitere 2,75 Milliarden Euro vereinbart.“
Der Deutsche Städtetag kontert: Die Zahl der Flüchtlinge werde weiter steigen. Auch aus dem türkisch-syrischen Erdbebengebiet würden sich bald Menschen nach Deutschland auf den Weg machen, aber in den Aufnahmeeinrichtungen der Städte gebe es kaum noch freie Plätze. „Die finanziellen Mittel für die Aufnahme der Geflüchteten müssen dynamisch an die tatsächliche Zahl der Geflüchteten angepasst werden“, forderte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy in der „Rheinischen Post“. Der Bund soll deshalb eigene Aufnahmekapazitäten „als Puffer“ aufbauen und sich dafür mit den Ländern abstimmen.
Ein Weg, um die Zahl derer zu begrenzen, die sich tatsächlich auf den Weg machen, ist nach Ansicht des Deutschen Städtetags die Wiederaufbauhilfe. Deutschland und andere Staaten müssten in der Türkei und Syrien schnell und umfassend Hilfe leisten sowie weiterhin auch in der Ukraine. Viele Menschen wollten ihre Heimat trotz Katastrophen und Krieg nicht verlassen. „Mit schneller und umfassender Notfall- und Wiederaufbauhilfe muss den Menschen deshalb ein Leben vor Ort ermöglicht werden“, so Würzner „, um ihnen so eine Flucht aus ihrer Heimat zu ersparen.“
Auch die Diskussion um schnellere Abschiebungen dürfte noch Fahrt aufnehmen. Vor allem aus der Union, aber auch der FDP wird verlangt, stärker gegen Einreisen Geflüchteter aus anderen Ländern als der Ukraine vorzugehen und Abschiebungen zu beschleunigen. Würzner schlägt vor, Asylsuchende, deren Anträge keine Aussicht auf Erfolg haben, in Zukunft nicht mehr auf die Kommunen zu verteilen. Die Städte sollten sich auf die Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten konzentrieren können, die längere Zeit in Deutschland blieben.