Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz nennt diesen Schritt „historisch“: Union und SPD wollen die Infrastruktur und die Bundeswehr massiv mit neuen Finanzmitteln ausstatten. Für die Infrastruktur soll es ein 500 Milliarden Euro Sondervermögen geben. Die Bundeswehr soll so viel Geld bekommen, wie sie braucht. Was CDU, CSU und SPD genau wollen, erklärt am Abend die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig. Sie kommt direkt aus den Verhandlungen der beiden Parteien, die vermutlich bald eine neue schwarz-rote Koalition bilden werden.
Die Stimmung bei den Gesprächen sei sehr konstruktiv, sehr sachlich und vor allem verantwortungsbewusst, berichtet Schwesig. „Es sind krasse Zeiten. Unsere Sicherheit ist von Russland bedroht, davon, dass sich die Amerikaner zurückziehen, die bisher unsere Sicherheitsgarantie gewesen sind“, so die SPD-Ministerpräsidentin. „Gleichzeitig hat unsere Wirtschaft große Probleme. Und ich finde, die Frage der Sicherheit in Deutschland ist einmal eine Frage, dass wir für Bundeswehr und Verteidigung investieren, aber auch, dass die Wirtschaft wieder an Fahrt gewinnt. Nur ein starkes Deutschland, auch ein wirtschaftlich starkes Deutschland, kann die Zukunftsaufgaben lösen.“ Diese Situation habe die Verhandlungen geprägt und dazu geführt, dass die Verletzungen aus dem Wahlkampf beiseitegeschoben worden seien. „Es geht jetzt ums Land, es geht jetzt um die Bürgerinnen und Bürger“, so Schwesig weiter. Sie sei froh darüber, dass die Verhandlungspartner zügig und kompromissbereit diesen ersten großen Schritt getan hätten.
Der Plan der Verhandlungspartner
Im Haushalt seien bisher 1,25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung veranschlagt worden, 53 Milliarden Euro, erklärt Schwesig. „Man muss aber damit rechnen, dass der Verteidigungshaushalt in jedem Jahr weiter steigt, auf zwei Prozent und vielleicht weit darüber hinaus, weil wir in allen Bereichen investieren müssen.“ Zum Beispiel in die überwiegend in Mecklenburg-Vorpommern stationierte Marine, denn der Ostseeraum sei bedroht. „Uns ging es darum, dass die weiteren Steigerungen, also alles, was über ein Prozent ist, nicht mehr den normalen Haushalt belastet, weil das immer zulasten von Investitionen in Wirtschaft und soziale Infrastruktur geht.“ Die bisher 53 Milliarden Euro könnten dadurch auf mindestens 100 Milliarden pro Jahr anwachsen.
Dazu kommt noch eine halbe Billion Euro für den Wirtschaftsbereich. Schwesig spricht von einem „Deutschlandplan“ für die Sicherheit und die Stärkung der Wirtschaft. Dazu gehören laut Schwesig Investitionen in die Infrastruktur, vor allem in Straßen, Brücken, Krankenhäuser, Kitas und Schulen. Gleichzeitig soll direkt in die Wirtschaft investiert werden, indem zum Beispiel die Energieinfrastruktur unterstützt wird. Schwesig: „Derzeit sind die Strompreise für alle teuer und steigen immer mehr, obwohl wir grünen Strom längst sehr preiswert produzieren. Denn der Strom muss verteilt werden. Und wenn man jetzt die Netze ausbaut, wird das zurzeit auf alle umgelegt. Und das wollen wir deckeln und absenken. Damit würden die Stromkosten für alle Bürger sinken, aber auch für die Wirtschaft. Und gerade die Energiekosten sind ein ganz wichtiger Baustein für die wirtschaftliche Entwicklung.“
Grüne beklagen späte Information
Um dieses riesige Paket zu beschließen, muss die Verfassung mit einer Zweidrittel-Mehrheit geändert werden. Das soll möglichst in der kommenden Woche der alte Bundestag tun. Die FDP hat sich schon dagegen ausgesprochen. Also brauchen Union und SPD die Grünen. Die haben sich am Abend beklagt, dass noch niemand mit ihnen gesprochen habe. Schwesig erklärt: „Zunächst war es wichtig, dass sich erst einmal die einigen, die Regierungsgespräche führen, also CDU, CSU und SPD. Und als wir uns einig waren, haben danach die Parteivorsitzenden von SPD und CDU auch FDP und Grüne angerufen und sind dann an die Presse gegangen. Und ich gehe davon aus, dass jetzt Gespräche stattfinden. Es ist jetzt nicht die Zeit, wo es darum geht, was sich jeder alles vorstellen kann, sondern es geht darum, was unser Land braucht.“ Das Paket sei sehr ausgewogen, sagt Schwesig. Zudem steckten in dem 500-Milliarden-Paket 100 Milliarden für die Länder und Kommunen, die man damit ebenfalls ins Boot holen werde.
Linke und AfD haben Klagen gegen das Paket angekündigt, Sahra Wagenknecht von BSW spricht von Wahlbetrug, wendet Moderatorin Maischberger ein. „Frau Wagenknecht sagt zu allem, was ihr nicht passt, es sei Betrug. Während sie Russland hinterherläuft, wollen wir uns schützen“, so Schwesig. Man habe die Vorschläge verfassungsrechtlich geprüft und gehe deswegen in zwei Schritten vor, sagt sie, und weist darauf hin: „Seit dem Wahltag hat sich die Bedrohungslage ja noch einmal verändert.“ Der aktuelle Bundestag könne jetzt das von Union und SPD vorgeschlagene Paket verabschieden. Mit dem zukünftigen Bundestag soll dann eine Reform der Schuldenbremse beraten werden. „Wir haben darüber gesprochen, dass dann natürlich mit den Grünen und den Linken gesprochen werden muss. Wir haben uns darauf geeinigt, dass diese Gespräche stattfinden“, so Schwesig. Doch zunächst sei wichtig, dass der aktuelle Bundestag jetzt handele. „Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.“
Der Plan gelte für die nächsten zehn Jahre, so Schwesig. Sie hoffe, dass die demokratischen Parteien ihn unterstützen. Dabei sei jedoch noch unklar, wie die Riesensumme von bisher nahezu einer Billion Euro refinanziert werden solle. Doch Schwesig sagt: „Ich bin nach diesem ersten Tagen zuversichtlich, weil ich merke, alle sind sich der hohen Verantwortung bewusst.“ Die Bürger wollten jetzt eine klare Ansage, wo die Reise hingehe. Und das ohne Streit. „Wir müssen uns auf das Schwierigste und Schlimmste vorbereiten“, sagt Schwesig. „Und das tun wir.“