Aus Protest gegen die Politik der Ampel protestieren bundesweit die Bauern. Sie wollen erreichen, dass die Regierung die Subventionskürzungen vollständig zurücknimmt. Neben der Union fordern nun auch mehrere SPD-Ministerpräsidenten eine radikale Umkehr. Die Regierung winkt jedoch ab.
Angesichts der wütenden Proteste von Landwirten bundesweit haben mehrere SPD-Ministerpräsidentinnen und -präsidenten eine komplette Rücknahme der finanziellen Kürzungen gefordert. Regierungssprecher Steffen Hebestreit wies das zurück, das Kabinett verabschiedete die Kürzungen beim Agrar-Diesel.
Die Bundesregierung steht dazu“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz nach einem Treffen mit Luxemburgs Premierminister Luc Frieden im Kanzleramt in Berlin. Die Subventionen seien schon seit vielen Jahren kritisiert worden – und bei einem Subventionsabbau gebe es immer Stimmen, die sagen, „aber nicht diese“. Nun bleibe die Regierung bei ihrem Vorhaben, das „in sehr kurzer Zeit“ im Bundestag zur Abstimmung stehen soll.
Mit Blick auf die am Montag gestartete Protestwoche der Bauern sagte der Kanzler: „Kritik ist Teil der Demokratie. Sie ist nötig und gehört dazu. Darüber darf sich keiner beschweren. Ich tue es jedenfalls nicht.“ Scholz fügte hinzu: „Der Zweck heiligt natürlich nicht alle Mittel. Deshalb sei angesichts des Entgegenkommens der Bundesregierung, die Teile der Kürzungen beim Agrardiesel nach Protesten bereits wieder zurückgenommen hat, wichtig, „dass jetzt Maß und Mitte gehalten werden“. Das solle auch ein Anliegen von Demokratinnen und Demokraten sein, „gerade in Zeiten wie diesen“. Derweil forderte Wirtschaftsminister Robert Habeck in einem mehr als achtminütigen Video eine Debatte über die strukturellen Probleme der Landwirtschaft und rief dazu auf, gewaltfrei zu demonstrieren.
Die Rücknahme der Kürzung verlangten etwa die Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil. Schwesig erklärte in Schwerin, die finanzielle Unterstützung der Landwirtschaft diene auch dazu, dass Lebensmittel bezahlbar blieben. Rehlinger sagte der „Rheinischen Post“, die Landwirte könnten die Kürzungen beim Agrar-Diesel nicht „von jetzt auf gleich einkalkulieren“. Eine Alternative zum Dieselkraftstoff gebe es für Traktoren „zumindest kurzfristig“ nicht.
Weil sagte im ZDF-„Morgenmagazin“, die bis 2026 geplante schrittweise komplette Streichung der Steuerbegünstigung beim Agrar-Diesel sei gerade für kleinere Betriebe eine „arge Belastung“. Bei den Protesten gehe es den Landwirten auch darum, wie es mit den landwirtschaftlichen Betrieben weitergehen könne. „Was eigentlich ansteht, ist eine in sich schlüssige Gesamtstrategie der Landwirtschaftspolitik, auf die Landwirte jetzt schon 20 Jahre warten.“ Regierungssprecher Hebestreit betonte, es gebe „keine Überlegungen“ in der Bundesregierung, die Beschlüsse im Agrarbereich noch einmal zu ändern. Vielmehr gebe es jetzt einen Kabinettsbeschluss.
Die Regierung hatte angesichts massiver Proteste der Landwirte vergangene Woche einen Teil ihrer Kürzungspläne im Agrarbereich zurückgenommen: Die Begünstigung bei der Kraftfahrzeugsteuer für Forst- und Landwirtschaft soll anders als geplant erhalten bleiben. Beim Agrar-Diesel soll die Steuerbegünstigung erst bis 2026 vollständig fallen. Im laufenden Jahr soll sie um 40 Prozent gekürzt werden, in den Folgejahren dann um jeweils 30 Prozent.
Wirtschaftsminister Habeck verwies in seiner Videoansprache auf seine sechs Jahre als Landwirtschaftsminister in Schleswig-Holstein. Er habe in der Zeit „viele Betriebe besucht und noch mehr Gespräche mit Bäuerinnen und Bauern geführt“. Sie wirtschafteten „unter einem mächtigen ökonomischen Druck, dem Preisdruck durch die Discounter, der großen Schlachthöfe und Molkereien, dem schwankenden Weltmarkt“.
Es gebe gute und schlechte Jahre, „aber vor allem gibt es ein strukturelles Problem“: Bauern könnten ihre Produktionskosten oft nicht weitergeben, weil die Preise nicht von ihnen gemacht werden. „Es muss also immer mehr produziert werden.“ So würden die Höfe immer größer, die kleinen Höfe verschwinden. „Strukturwandel nennt man das, es ist die Industrialisierung der Landwirtschaft.“
Es gebe aber „auch andere Antworten“, betonte Habeck: faire Preise, gute Bezahlung für anspruchsvolle Arbeit, für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Tierschutz, direkte Vermarktung. „Meiner Ansicht nach sollte man die Debatte jetzt nutzen, um ernsthaft und ehrlich genau darüber zu diskutieren.“ Der Minister war vergangene Woche in Schleswig-Holstein von Demonstrierenden daran gehindert worden, eine Fähre zu verlassen. Ein von Habeck angebotenes Gespräch lehnten die Bauern ab.
In seinem Video kritisierte Habeck nun, dass die „Erfahrung der letzten Demonstrationen“ gezeigt hätten, dass nicht alle gewaltfrei und friedlich demonstrieren wollten. „Wenn an Traktoren Galgen hängen, wenn Traktorkolonnen zu privaten Häusern fahren, dann ist eine Grenze überschritten. Von der Verrohung in den sozialen Medien gar nicht zu sprechen, wo häufig unter der Feigheit von irgendwelchen Decknamen Gewaltaufrufe verbreitet werden.“
Es sei ein Wesenszeichen der liberalen Demokratie, dass sie auch ihren Gegnern Platz gebe. „Aber unser Grundgesetz setzt Verfassungsfeinden Grenzen.“ Wer die Demokratie zersetzen wolle, müsse dafür mit den Mitteln des Rechtsstaats zur Rechenschaft gezogen werden. Habeck rief auch zur Zivilcourage auf. „Diese Republik ist der beste Staat, den Deutschland je hatte. Wir müssen für sie einstehen.“ Sicherheitsbehörden haben vor einer möglichen Unterwanderung der Bauernproteste gewarnt. Auch andere Politiker riefen die Landwirte dazu auf, die Protest im rechtsstaatlichen Rahmen zu halten.