Bayer Leverkusen bleibt sich treu: Der Meister und Pokalsieger rettet sich in einem wüsten Supercup mit einem ganz späten Treffer ins Elfmeterschießen und holt dort den ersten Titel der Saison. Dabei spielt der VfB Stuttgart lange in Überzahl.
Die Titeljäger von Bayer Leverkusen haben auch dank ihrer gefürchteten Last-Minute-Qualitäten gleich zu Beginn der neuen Saison erneut zugeschlagen. Eine Woche vor dem Bundesliga-Start gewann der Double-Gewinner von Erfolgstrainer Xabi Alonso trotz langer Unterzahl im Supercup mit 4:3 im Elfmeterschießen gegen den Vizemeister VfB Stuttgart. Nach 90 Minuten hatte es 2:2 (1:1) gestanden. Damit holte Bayer auch dank etwas Aluminiumglück ungeachtet der Diskussionen um die Wertigkeit des Wettbewerbs bei der zweiten Teilnahme nach 1993 erstmals den Titel.
Bayer-Stürmer Victor Boniface eröffnete ein packendes Duell (11.). Nach dem Ausgleich durch Enzo Millot (15.), der Roten Karte gegen Leverkusens Neuzugang Martin Terrier (37., grobes Foulspiel), elf Gelben Karten und drei Aluminiumtreffern des VfB sorgte Nationalspieler Deniz Undav (63.) nur 47 Sekunden nach seiner Einwechslung für die Stuttgarter Führung.
Wie schon so häufig in der Vorsaison gelang Patrik Schick (88.) der späte Ausgleich. 32 Tore hatte Bayer in der Doublesaison nach der 80. Minute erzielt. Zumindest auf nationaler Ebene setzt das Team nun seine Ungeschlagen-Serie fort, die letzte Niederlage in einem Pflichtspiel resultiert vom 34. Spieltag der Saison 2022/23 (0:3 gegen den VfL Bochum). Im Elfmeterschießen parierte Leverkusens Torhüter Lukas Hradecky gegen Frans Krätzig, dann schoss Silas über das Tor. Nach dem Spiel kam es noch zu mehreren Wortgefechten auf dem Rasen. „Ich freue mich, dass wir diese späten Comebacks nicht vergessen haben“, sagte Hradecky bei Sky. „Beide Mannschaften wollten gewinnen, Stuttgart hat ein überragendes Spiel gemacht. Fußball macht wieder Spaß.“
Einmal mehr war im Vorfeld eine Debatte über den Sinn oder Unsinn des Supercups entbrannt. Stuttgarts Trainer Sebastian Hoeneß etwa betonte, dass ein Titel ausgespielt werde und der VfB die Partie entsprechend „sehr ernst“ nehme. Teile der organisierten Fans sprachen dagegen von einem „Kirmespokal“ und boykottierten das Spiel unter anderem aufgrund der Überschneidung mit dem Pokalwochenende.
Die beiden Teams lieferten dennoch wie bei den drei Duellen in der Vorsaison, von denen der VfB keines für sich entscheiden konnte, eine mitreißende Partie. Zunächst ohne Florian Wirtz und den von Bayern München umworbenen Jonathan Tah, dafür aber mit den den Zugängen Terrier, Jeanuel Belocian und Aleix Garcia startete die Werkself druckvoll.
Den stürmischen Beginn veredelte Boniface, als er den Ball aus kurzer Distanz über die Linie drückte. Die Stuttgarter, bei denen die Austragung in Leverkusen für Ärger gesorgt hatte, schüttelten den frühen Schock aber schnell ab. Ermedin Demirovics Kopfball (13.) ging zunächst knapp drüber, Millot vollendete dafür einen sehenswerten Angriff zum Ausgleich. Im ersten Pflichtspiel seit den Wechseln von Serhou Guirassy, Waldemar Anton oder Hiroki Ito zeigte sich der VfB von Minute zu Minute mutiger. Demirovics Pfostenschuss (25.) war nur der Anfang.
Hitzig wurde es in der Schlussphase des ersten Durchgangs, als Terrier Demirovic mit offener Sohle auf den Knöchel stieg. Leverkusen, nach der Roten Karte mit dem eingewechselten Tah in der Abwehrkette, war fortan defensiv gefordert – und hatte Glück. Millot im Nachsetzen (42.) und Pascal Stenzel (45.+1) aus der Distanz trafen ebenfalls nur das Aluminium.
Erstmals seit 2011 fand der Supercup ohne Rekordsieger Bayern München statt, die vielleicht besten Teams der Vorsaison boten dennoch einen hochklassigen Schlagabtausch. Bayer sorgte nur über einen Konter durch Amine Adli für Gefahr (56.), ansonsten machte Stuttgart in Überzahl das Spiel.
Dazu bewies Hoeneß ein goldenes Händchen mit Undavs Einwechslung. Erst nach zähen Verhandlungen hatte sich der VfB in der Vorwoche mit dem Stammverein Brighton and Hove Albion auf einen Transfer geeinigt, rund 27 Millionen Euro Ablöse waren im Gespräch. In einer wilden Schlussphase drückte Leverkusen mit dem eingewechselten Wirtz nochmal auf den Ausgleich.