Die Polizeikontrolle von zwei Bussen, in denen am Wochenende Teilnehmer einer Gedenktour für den in Rostock von Rechtsextremisten ermordeten Mehmet Turgut unterwegs waren, hat im Landtag einen politischen Nachhall gefunden. Der Polizeieinsatz sei gerechtfertigt gewesen, da es offenbar Hinweise gegeben habe, „dass sich an Bord der Busse linksextremistische Gewalttäterinnen und Gewalttäter befanden“, erklärte die CDU-Landtagsabgeordnete Ann Christin von Allwörden am Montag in Schwerin.
Es stelle sich die Frage, wer zum friedlichen Gedenken an das Opfer eines extremistischen Anschlags mit Messern, Teleskopschlagstöcken und Vermummungsgegenständen umherfahre. „Doch nur gewaltbereite Extremisten“, lautete die Antwort der CDU-Politikerin. Kritik übte von Allwörden an der Grünen-Landtagsabgeordneten Constanze Oehlrich. Diese hatte die Polizeimaßnahmen als überzogen bezeichnet und angekündigt, im Innenausschuss den Vorfall thematisieren zu wollen. „Es gibt derzeit nichts, was auf ein Fehlverhalten der Polizeikräfte hindeutet“, sagte von Allwörden.
Oehlrich erinnerte daran, dass sich die Ermordung Turguts durch den „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) am 25. Februar zum zwanzigsten Mal jährt. „Der Opfer des NSU zu gedenken, ist ein wichtiges Anliegen. Der Polizeieinsatz gegen die beiden Busse, die am vergangenen Samstag zu einer Gedenkfahrt aufgebrochen waren, kam mir unverhältnismäßig vor. Deswegen habe ich um eine Berichterstattung des Innenministers im Innenausschuss gebeten, erklärte sie am Montag auf dpa-Anfrage.
AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer warf Oehlrich vor, sich mit ihren Aussagen vor bewaffnete Linksextremisten zu stellen. „In der kommenden Sitzung des Innenausschusses wird Frau Oehlrich nicht nur Fragen stellen, sondern sich auch diese Frage stellen lassen müssen“, kündigte Kramer an. Auch der Linke-Abgeordnete Michael Noetzel stelle sich immer wieder vor offen linksextremen Personen und Initiativen. „Der aktivistische Arm der linksextremistischen Szene reicht übergangslos in die Parlamente und man stärkt sich gegenseitig den Rücken“, erklärte Kramer.
Noetzel mahnte zu Zurückhaltung. „Wer sonst stets auf die notwendige Aufklärung in den zuständigen Gremien pocht, sollte auch dieses Mal die erforderlichen Hintergrund-Informationen abwarten. Es gibt zu diesem Einsatz und den Funden Fragen, die an geeigneter Stelle selbstverständlich erörtert werden müssen“, sagte er. Mit reflexhaften Reaktionen werde das Gedenken an Turgut instrumentalisiert, um parteipolitische Grabenkämpfe auszutragen, konstatierte Noetzel.
Wie eine Polizeisprecherin sagte, hatten die Businsassen am Samstag an unangemeldeten Demonstrationen in Satow, Güstrow und Schwerin teilgenommen und dabei gegen das Versammlungsgesetz verstoßen. Daraufhin seien die Busse auf der Autobahn 14 bei Jesendorf von der Polizei gestoppt und an einer Raststätte durchsucht worden. Laut Polizei wurden bei der Kontrolle mehrere Messer, Teleskopschlagstöcke, schlagverstärkende Quarzshandhandschuhe sowie Sprays mit Reizgas sichergestellt.
Die Insassen seien auf dem Weg nach Rostock gewesen, um dort an einer Demonstration teilzunehmen, zu der das Bündnis „Bunt statt Braun“ im Gedenken an Turgut aufgerufen hatte. Mehmet Turgut war am 25. Februar 2004 an einem Imbissstand in Rostock von Rechtsextremisten des NSU ermordet worden. Der 25-Jährige war das fünfte Opfer in der Mordserie des NSU. Die aus Thüringen stammende Terrorgruppe hatte zwischen 2000 und 2007 neun Migranten und eine Polizistin umgebracht, Sprengstoffanschläge und mehrere Raubüberfälle verübt. Die Täter flogen erst auf, nachdem 2011 die Leichen von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden wurden und Beate Zschäpe als drittes NSU-Mitglied gefasst worden war.