Als Reaktion auf den Kurswechsel von CDU-Chef Friedrich Merz bei der Schuldenbremse hat ein großer Teil der Mitglieder des CDU-Stadtverbands Kühlungsborn (Landkreis Rostock) den sofortigen Parteiaustritt erklärt. Das geht aus einem Schreiben hervor, das auf der Internetseite des Ortsverbands veröffentlicht wurde und über das mehrere Medien berichteten.
Zu den konkreten Zahlen gab es unterschiedliche Angaben. Wie Lars Zacher mitteilte, der dem Parteivorstand in Kühlungsborn angehörte, haben sich 20 bisherige CDU-Mitglieder dem Austritt angeschlossen. Darunter sei fast der gesamte Ortsvorstand und auch die Mehrzahl der CDU-Stadtvertreter. Nach Angaben des Landesverbands kehrten 14 der zuvor 41 CDU-Mitglieder im Ostseebad der Partei den Rücken. Einige der Unterzeichner des öffentlichen Schreibens seien bereits früher aus der CDU ausgetreten oder nie Mitglied gewesen.
Massive Kritik an Lockerung der Schuldenbremse
„Unsere Entscheidung basiert auf einer Reihe tiefgreifender politischer Entwicklungen, die wir nicht mehr mittragen können. Die Schuldenbremse ist die DNA der CDU. Durch die aktuelle Grundgesetzänderung wurde diese faktisch aufgehoben“, heißt es in dem Schreiben der Ortsverbandsführung. Darin wird zudem Kritik geübt an der Aufnahme des Klimaneutralität-Ziels 2045 in das Grundgesetz sowie an unzureichenden Änderungen in der Migrationspolitik und beim Bürgergeld.
„Einen großen, wirksamen Wurf sehen wir mit der SPD als Koalitionspartner derzeit nicht“, heißt es im Schreiben weiter. Kompromisse seien in Koalitionsverhandlungen zwar notwendig. „Aber wir müssen feststellen, dass sich der Wahlsieger CDU in den laufenden Gesprächen kaum bis gar nicht wiederfindet. Das zeigen sowohl die bisherigen Sondierungsgespräche als auch die Grundgesetzänderungen auf dramatische Weise.“
Amthor hält Austrittsbegründung für unpassend
Der Generalsekretär der Nordost-CDU, Philipp Amthor, bedauerte den bislang größten personellen Aderlass für die Nordost-Union seit den umstrittenen Abstimmungen in Bundestag und Bundesrat. Der Landesvorstand hatte bislang nur von vereinzelten Austritten berichtet. „Einen Austritt mit laufenden Koalitionsverhandlungen zu begründen, ohne deren Ergebnisse abzuwarten oder zu kennen, halte ich in diesem Zusammenhang persönlich für unpassend“, erklärte Amthor, der selbst an den Koalitionsverhandlungen beteiligt ist.
Er werte die Austritte als „Beleg für die berechtigte Erwartung der Parteibasis, dass die CDU den vor der Wahl versprochenen Politikwechsel auch nach der Wahl in einer neuen Regierung umsetzt. Davon lassen wir uns in den laufenden Koalitionsgesprächen leiten“, versicherte Amthor, der nur über die Landesliste den Wiedereinzug in den Bundestag geschafft hatte. Er sei optimistisch, dass der CDU in den nächsten Monaten ein erfolgreicher Start in eine bürgerlich-konservative Regierung gelinge.
Aufforderung zu Mandatsverzicht
Die ausgetretenen Mitglieder seien dann eingeladen, sich erneut für die christdemokratische Sache einzubringen. „Andernfalls sollten sie ihre über die CDU errungenen Mandate niederlegen“, betonte Amthor.
Zacher, bislang Vorsitzender der fünfköpfigen CDU-Fraktion, kündigte an, dass er und die anderen Stadtvertreter auch nach den Parteiaustritten weiter in Kühlungsborns Kommunalpolitik mitwirken würden. Dies könne zunächst in einer sogenannten Zählgemeinschaft erfolgen, ehe über eine Neuausrichtung der bisherigen Fraktion beraten und entschieden werde.
Mit rund 4.300 Mitgliedern ist die CDU in Mecklenburg-Vorpommern die mitgliederstärkste Partei und auch in den Kommunalparlamenten vielfach stärkste Kraft. Bei der Bundestagswahl im Februar kam sie im Nordosten mit 17,8 Prozent hinter der AfD auf Platz zwei, errang dabei aber keines der sechs Direktmandate.