Mit weitreichenden Zugeständnissen an die Union bringt die Ampel-Koalition eine abgespeckte Version des Bürgergeldes durch den Vermittlungsausschuss. Damit kann die Sozialreform zum 1. Januar kommen. Hartz IV ist dann Geschichte.
Millionen Bedürftige können im neuen Jahr auf höhere staatliche Leistungen und eine gründlichere Betreuung durch die Jobcenter hoffen. Nach der grundsätzlichen Einigung zwischen Ampel-Koalition und CDU/CSU-Opposition stimmte am Abend auch der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat den Neuerungen zu. Das Gesetz muss nun noch von beiden Häusern formal bestätigt werden.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stellte sich hinter den Kompromiss beim Bürgergeld. Die Abgeordneten stimmten am Abend in Berlin in einer Sondersitzung mit großer Mehrheit einem Vorschlag von Fraktionschef Friedrich Merz zu. Es gab keine Gegenstimmen, aber eine Enthaltung. Der CDU-Chef hatte zuvor empfohlen, am Freitag im Bundestag für den Kompromiss zu votieren. Die Union erreichte mehrere Änderungen an den Regierungsplänen. Merz sagte nach der Entscheidung, er gehe davon aus, dass es am Freitag im Bundesrat „bei allen von der Union regierten (und) mitregierten Ländern eine Zustimmung gibt. Das kann ich jedenfalls für die CDU-regierten Länder so sagen.“ Unklar war zunächst, wie sich das CSU-geführte Bayern verhalten würde. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte: „Der Geist, der in Richtung eines bedingungslosen Grundeinkommens ging, ist zurück in der Flasche.“
Die Reform soll das alte Hartz-IV-System ablösen. Bundeskanzler Olaf Scholz versprach zuvor schon in der Generaldebatte im Bundestag: „Wir sorgen dafür, dass Arbeit sich mehr lohnt als zu jedem Zeitpunkt einer CDU-geführten Bundesregierung.“ Das Bürgergeld soll zum 1. Januar mit deutlich höheren Regelsätzen in der Grundsicherung starten. Wesentliche Teile der Reform sollen aber erst zum 1. Juli in Kraft treten: So sollen die Jobcenter mit jeder und jedem betroffenen Arbeitslosen einen Plan aufstellen, in dem der vorgesehene Weg zurück zu regulärer Arbeit festgelegt wird.
Scholz verteidigte die Reform gegen frühere Kritik aus der Union. Was die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP von CDU und CSU unterscheide, sei „offenbar das Bild, das wir von den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes haben“. Die Union hatte verschiedene Regelungen als zu milde bemängelt und gewarnt, dass dies auf Kosten von Steuer- und Beitragszahlern gehen könne.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann begrüßte den Kompromiss zum Bürgergeld. „Ich bin froh, dass wir heute eine einvernehmliche Lösung gefunden haben und sich beide Seiten aufeinander zubewegt haben“, erklärte Kretschmann, wie die Staatskanzlei am Abend in Stuttgart mitteilte. Er habe sich vor der Sitzung des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat für die Einigung stark gemacht. Auf Druck der CDU hatte sich die baden-württembergische Landesregierung im Bundesrat beim Bürgergeld enthalten.