Nach den tumultartigen Protesten gegen den Bau einer Flüchtlingsunterkunft im Kreis Nordwestmecklenburg hat der dortige Landrat die Bundesregierung zum Handeln aufgefordert.
„Der Bund muss endlich die Lage der Kommunen erkennen“, sagte der CDU- Politiker Tino Schomann in den ARD-„Tagesthemen“ mit Blick auf die Situation bei der Flüchtlingsunterbringung. „Der Bund muss begrenzen und steuern, muss die illegale Migration stoppen und muss die Abschiebeoffensive endlich starten, um auch Kapazitäten freiwerden zu lassen.“
„Wir laufen in eine Situation, die die Gesellschaft nicht mehr verstehen kann“, warnte Schomann. Er forderte: „Wir brauchen die Ressourcen und wir brauchen die Möglichkeiten, um das umzusetzen.“
Am Donnerstagabend hatten 700 Menschen während einer außerordentlichen Kreistagssitzung in Grevesmühlen gegen den geplanten Bau demonstriert. Einige versuchten, sich Zugang zum nicht-öffentlichen Teil der Sitzung zu verschaffen. 120 Polizeibeamte schirmten die Sitzung ab. Der Kreistag stimmte dort dem Bau der Container-Unterkunft in Upahl zu.
400 Menschen unterzubringen in einer Gemeinde, wo 1600 Bürgerinnen und Bürger wohnten – „das ist ein Verhältnis, was nicht passt“, räumte Schomann ein. „Aber die Lage ist so brisant, weil wir keine Unterkunftskapazitäten haben und schon Sporthallen belegt haben seit November (…).“ Er bekomme keine Grundstücke angeboten – „ich höre immer nur: nein, nein, nein“.
Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Chef Franz-Robert Liskow mahnte eine spürbare Begrenzung der Zuwanderung nach Deutschland an. „Bund und Land wälzen die immer weiter ansteigende Zahl an Migrantinnen und Migranten auf die Kommunen ab, die mit mangelnden Unterbringungskapazitäten an die Grenze der Belastungsfähigkeit gebracht werden“, sagte er am Samstag bei einer Versammlung der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) der CDU Mecklenburg-Vorpommern. Die Ampelregierung müsse endlich umsteuern.
Die Landesvorsitzenden der Linken in Mecklenburg-Vorpommern, Vanessa Müller und Peter Ritter, warnten indes vor einseitigen Zuweisungen von Verantwortlichkeiten oder gar dem erneuten Ruf nach Abwehrmaßnahmen gegenüber Menschen auf der Flucht. Ziel aller politisch Verantwortlichen der verschiedenen Ebenen müsse es sein, den Herausforderungen der Aufnahme von Flüchtlingen und den Erwartungen der aufnehmenden Kommunen gemeinsam gerecht zu werden. Es sei notwendig, der Hetze von Rechtsextremen und Reichsbürgern gegenüber Asylsuchenden entschieden entgegenzutreten.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, hatte jüngst gewarnt, viele Kommunen seien bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Vertriebenen „längst an ihrer Leistungsgrenze“. In Deutschland hatten im vergangenen Jahr so viele Menschen Asyl beantragt wie seit 2016 nicht mehr. 217 774 Menschen stellten erstmalig in Deutschland ein solches Schutzersuchen, knapp 47 Prozent mehr als im Jahr davor. Zudem fanden 2022 rund eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland Aufnahme, die keinen Asylantrag stellen mussten.