Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnet die Vorgänge vom Mittwoch im Deutschen Bundestag als „falsch“. In einem von ihr veröffentlichtem Statement kritisiert die frühere CDU-Chefin Unionsfraktionschef Friedrich Merz scharf.
Merz habe noch im November zugesichert, keine Mehrheiten im Parlament herbeiführen zu wollen, die nur mit der AfD zustande kommen. „Dieser Vorschlag und die mit ihm verbundene Haltung waren Ausdruck großer staatspolitischer Verantwortung, die ich vollumfänglich unterstütze“, erklärt Merkel nun – und geht dann frontal Friedrich Merz an: „Für falsch halte ich es, sich nicht mehr an diesen Vorschlag gebunden zu fühlen und dadurch am 29. Januar 2025 sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen.“
Es sei stattdessen erforderlich, dass die „demokratischen Parteien“ alles täten, um Attentate wie in Magdeburg oder Aschaffenburg zu verhindern – und zwar „gemeinsam über parteipolitische Grenzen hinweg, nicht als taktische Manöver, sondern in der Sache redlich, im Ton maßvoll und auf der Grundlage geltenden europäischen Rechts“, so die frühere Bundeskanzlerin.
SPD-Chefin Saskia Esken zeigte sich erfreut über die Äußerungen der Ex-Kanzlerin: „Wir haben die Einlassungen von der früheren Bundeskanzlerin gehört. Sie hat offensichtlich den Eindruck gewonnen, Sie müsse Herrn Merz an seine staatspolitische Verantwortung erinnern. Ich bin ihr dafür sehr dankbar.“ Mit den Worten „der Anstand“ überschrieb SPD-Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt seinen Hinweis auf die Erklärung Merkels im Internetdienst X.
„Danke Angela Merkel“, schrieb Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt auf X. Deren Worte „und dass sie überhaupt von ihr jetzt gesagt werden (müssen) zeigen den Abgrund, auf den die Union sich zubewegt“, fügte die Grünen-Politikerin hinzu. Grünen-Parteichef Felix Banaszak schrieb auf X , es sei „traurig, dass in der Unionsspitze der Wunsch nach Abgrenzung zu ihr größer zu sein scheint als gegenüber der AfD.
Merz ist seit Anfang 2022 Vorsitzender der CDU und hatte inhaltlich eine Abkehr von der Flüchtlings- und Asylpolitik der Merkel-Jahre eingeleitet. Das schlug sich im neuen Grundsatzprogramm nieder, das im vergangenen Jahr beschlossen wurde. Auch der Fünf-Punkte-Plan nach dem tödlichen Messerangriff von Aschaffenburg widersprach der Flüchtlingspolitik der langjährigen Kanzlerin diametral – insbesondere in der Frage der Zurückweisungen an den Grenzen. Merkel hatte sich stets davon überzeugt gezeigt, Zurückweisungen von Asylbewerbern an der Grenze seien nicht möglich.
Merkel war 18 Jahre lang Parteivorsitzende der CDU. Mit Kritik an Merz hatte sie sich bislang sehr zurückgehalten. Zuletzt äußerte sie vor knapp zwei Wochen beim Neujahrsempfang der NRW-CDU die Hoffnung, er werde Bundeskanzler werden. Bei der Vorstellung ihrer Autobiografie („Freiheit“), sagte sie, er sei für das Amt qualifiziert, weil er es unbedingt wolle.