Nach der Absage des schwedischen Reedereikonzerns Stena AB muss im Insolvenzverfahren der MV-Werften Gruppe umgedacht werden.
Konkret ging es um den Weiterbau des zur Insolvenzmasse der Gruppe gehörenden Kreuzfahrtschiffes „Global One“ – mit einer Kapazität von fast 10 000 Passagieren sollte es der größte Kreuzliner der Welt werden -, hieran hat das Unternehmen kein Interesse mehr. Der einzige Kunde, der für das Schiff zu haben gewesen sei, habe am Wochenende abgesagt, sagte Insolvenzverwalter Christoph Morgen am Montag bei einer Pressekonferenz am Werftstandort in Wismar. Zuvor hatte es eine Mitarbeiterversammlung gegeben.
Wie Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) anfügte, ist damit die geplante Verlängerung der Transfergesellschaft für 1500 ehemalige Werft-Beschäftigte ungewiss, sie läuft Ende Juni aus. Ursprünglich wollte die Landesregierung bis Monatsende eine Entscheidung über eine Verlängerung treffen. Bei der Gewerkschaft IG Metall zeigte man sich enttäuscht: „Bund, Land und Investoren dürfen die Beschäftigten der MV Werften in Rostock, Stralsund und Wismar jetzt nicht hängen lassen“, forderte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste.
Insolvenzverwalter Morgen ließ am Montag noch nicht alle Hoffnungen auf eine Fertigstellung des Kreuzfahrtschiffes in Wismar – und der damit verbundenen mittelfristigen Sicherheit für die Arbeitsplätze – fahren. Er machte aber klar, dass er es für realistisch halte, dass man sich nun nach Käufern umsehe, die das Schiff an einem anderen Ort zu Ende bauen wollen.
Der Aufsichtsrat von Stena führte den Angaben zufolge für die Entscheidung sowohl Konkurrenz durch den ehemaligen Inhaber der MV-Werften – den malaysischen Milliardär Lim Kok Thay – als auch Chinas strikte Null-Covid-Politik an. Wie Morgen ausführte, plant Thay, dessen Kreuzfahrtunternehmen Genting Hongkong durch den Zusammenbruch des Markts in der Pandemie in den Gläubigerschutz gehen musste, einen neuen Versuch unter dem Namen „Resorts World Cruises“. Das habe laut Morgen die Pläne von Stena beeinträchtigt, zum anderen sei nicht klar, wann das Kreuzfahrtgeschäft in China angesichts der aktuellen Pandemie-Politik wieder anlaufen wird.
Laut Insolvenzverwalter sind die Gespräche für den Verkauf des Werft-Geländes in Wismar an den U-Boot-Bauer ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) weit fortgeschritten. Mit dem Bau erster Schiffe soll 2024 begonnen werden. Je nach Auftragslage könnten damit Arbeitsplätze für 900 bis 1500 Menschen gesichert werden: Dies könnte neben dem Bau von U-Booten auch Fregatten betreffen. Bei der Veranstaltung wurde auch die Möglichkeit angesprochen, dass TKMS Fachkräfte der Werft bei der Sprengmittelräumung in Nord- und Ostsee einsetzt.
Wirtschaftsminister Meyer machte klar, dass er mehr Unterstützung des Bundes erwartet, der über das Marinearsenal der Bundeswehr Interesse am Standort Rostock bekundet hat. Auch der Bund brauche Fachkräfte: „Ich gehe davon aus, dass wir dann auch gemeinsam in Gesprächen darüber reden, was das für eine Verlängerung der Transfergesellschaft bedeutet“. Ebenfalls forderte er, dass Deutschland den Bau von Konverterplattformen für die Offshore-Windkraft nicht allein dem Ausland überlässt. Hier pflichtete Meyer auch die Betriebsratsvorsitzende der MV-Werften, Ines Scheel, bei: „Es ist absolut nicht zu verstehen, dass keine einzige Offshore-Plattform an einem Werftstandort in Deutschland gebaut wird“.
Die MV-Werften-Gruppe hatte im Januar Insolvenz angemeldet. Grund war der coronabedingte Zusammenbruch des weltweiten Kreuzfahrtgeschäfts. Der chinesische Mutterkonzern Genting Hongkong war als Folge zahlungsunfähig geworden und hatte sich mit Landes- und Bundesregierung in der Frage weiterer Kredite nicht mehr einigen können. Auch Genting ging den Weg in den Gläubigerschutz. Das Insolvenzverfahren der MV Werften wurde formal Anfang März eröffnet.
Bisher kann der Insolvenzverwalter Teilerfolge vorweisen: Das Werftgelände in Stralsund wurde von der Stadt übernommen, die dort ein maritimes Gewerbegebiet einrichten will: Erste Pächter sind der Schiffbauer Fosen Yards und der Metallverarbeiter Ostseestaal. In Wismar hatte der Medizintechnik-Hersteller Eppendorf zudem die MV Werften Fertigmodule GmbH übernommen, dort wurden Kabinen für Kreuzfahrtschiffe gebaut.