Nach den Blockadeaktionen vor zwei Wochen haben in Mecklenburg-Vorpommern am Montag hunderte Menschen mit Autokorsos gegen die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung protestiert. Bei fünf Sternfahrten im Nordosten zählte die Polizei zunächst mehr als 2000 Fahrzeuge. Organisiert hatte die Proteste die private Initiative „Unternehmeraufstand MV“.
Zu den Forderungen der Initiative gehören etwa eine Rücknahme der Mauterhöhung, die Abschaffung der CO2-Steuer, gleiche Wettbewerbsbedingungen für Landwirte in der EU, eine niedrigere Mehrwertsteuer in der Gastronomie, weniger Bürokratie und niedrigere Energiekosten. Auch Traktoren waren erneut auf den Straßen.
Vor zwei Wochen hatten Bauern praktisch alle Autobahnauffahrten in MV blockiert, um ihrem Unmut über geplante Subventionskürzungen Luft zu machen. Auch damals hatte der „Unternehmeraufstand MV“ gleichzeitig Autokorsos organisiert.
In Neubrandenburg waren am Montag laut Polizei rund 480 Fahrzeuge unterwegs, in der Landeshauptstadt Schwerin waren es demnach bis zu 550 Fahrzeuge und in Rostock in der Spitze 450 – darunter Autos, Lkw und Traktoren. In den Städten fanden Kundgebungen mit Hunderten Teilnehmern statt. In Greifswald waren laut Polizei zwischenzeitlich 290 und in Stralsund 270 Fahrzeuge unterwegs.
Wegen der Anfahrt aus verschiedenen Richtungen wurden laut Polizei um Rostock herum Autobahnzufahrten temporär gesperrt. Auch die Autobahn 11 war am Grenzübergang Pomellen nach Polen laut Polizei zeitweise dicht. Die dortige Blockade war demnach vom landwirtschaftlichen Bündnis LSV (Land schafft Verbindung) angemeldet worden.
Von der Vereinigung der Unternehmensverbände Mecklenburg-Vorpommerns kam Verständnis für die anhaltenden Proteste im Land. „Wenn es der Weg ist, sozusagen ihren Unmut kundzutun, dann ist es der Weg“, sagte Verbandssprecher Sven Müller am Montag. Es gebe ein hohes Frustpotenzial nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern.
„Unser Weg ist ein anderer“, sagte Müller. „Es ist immer wichtig, nicht nur auf Konfrontation zu gehen, sondern es ist vor allem wichtig, einen Weg zu finden, wie man mit denen, die man kritisiert, gemeinsam einen Weg aufzeigen kann, es besser zu machen.“
Anfang Januar hatte sich Müller deutlich von der Privatinitiative distanziert und gesagt, die Initiatoren seien aus Corona-Zeiten bekannt und wollten Aufruhr schüren. Seine Aussage bezog sich nicht auf die Teilnehmer der Proteste, sagte Müller am Montag. Zu dem breiten Spektrum zählen seiner Überzeugung nach nicht nur Unternehmensvertreter. Andere Menschen nähmen aus Solidarität teil.
Immerhin habe die Initiative Forderungen des Dachverbands aufgegriffen. Andere Positionen, die sich auf der Website der Initiative finden, unterstütze der Dachverband nicht. Dazu zähle etwa die Rücknahme von Russland-Sanktionen. „Das ist ja auch die Problematik für den einen oder anderen mit dieser Initiative, dass sie einen ganz großen Blumenstrauß an Themen aufrufen“, sagte Müller. Jeder müsse Unmut zum Ausdruck bringen und demonstrieren können, aber auch hinterfragen, wer mit welcher Intention zum Protest aufrufe.
Die Anmelder der Sternfahrt auf Stralsund am Montag etwa sind nach dpa-Informationen in der Vergangenheit teils als Anmelder von Montagsdemos in Erscheinung getreten, etwa im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
Kritik an den oft schwer erkennbaren Initiatoren der Proteste kam aus dem Landtag. SPD-Fraktionschef Julian Barlen betonte das hohe Gut der Versammlungs- und Meinungsfreiheit: „Es ist legitim, dass auch Vertreter der Wirtschaft auf ihre Situation hinweisen“, sagte er. Doch seien viele Forderungen des sogenannten Unternehmeraufstandes sehr unkonkret, und es fehle die Bereitschaft zum Dialog. „Es wäre gut, wenn konkrete Vorschläge gemacht würden und man darüber ins Gespräch kommt“, sagte Barlen.
Auch Vertreter anderer Fraktionen sagten auf Anfrage, dass es von Seiten der Protest-Initiatoren keine Versuche eines direkten Dialogs gegeben habe. Constanze Oehlrich von der Grünen-Fraktion kritisierte, dass Forderungen wie eine Beendigung von Waffenlieferungen an die von Russland angegriffene Ukraine „außerhalb des demokratischen Grundkonsenses“ lägen.
CDU-Fraktionschef Franz-Robert Liskow äußerte Verständnis für die Unzufriedenheit in weiten Teilen der Unternehmerschaft. Doch kritisierte auch er, dass die Initiatoren der Proteste offenkundig nicht an einem Dialog interessiert seien, um Probleme zu lösen. Wie zuvor schon bei Protesten gegen Corona-Maßnahmen gehe es grundsätzlich gegen Regierung und Staat. „Man muss schauen, mit wem man da demonstriert“, sagte Liskow.
Die Initiative „Unternehmeraufstand MV“ äußerte sich am Montag zunächst nicht zu der Kritik.