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Mähdrescher-Unfall: Opfer gegen Strafe für Angeklagten

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Auf einem Rollstuhl kommt der junge Landwirt in den Gerichtssaal des Amtsgerichts Rostock. Die kurze Hose gibt den Blick frei auf dunkelgraue Prothesen, die beide Beine ab den Oberschenkeln ersetzen. Bei einem Unfall mit einem Mähdrescher auf einem Feld bei Rostock im August vergangenen Jahres verlor der Mann beide Beine. Soll dafür ein Kollege des Mannes, der bei dem Unfall dabei war, belangt werden? Nein, sagte der Richter: „Das Verfahren, das diesen schrecklichen Unfall zum Gegenstand hat, war hier einzustellen.“

Ursprünglich war der 26 Jahre alte Kollege wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Was war passiert? Der Mann und der heute ebenfalls 26 Jahre alte Geschädigte arbeiteten gemeinsam im Sommer 2023 bei der Ernte mit. Am 19. August wollten sie mit einer Erntehelferin einen Bereich mähen, in dem feuchtes Unkraut den Kornspeicher des Mähdreschers verstopfte. „Hilft ja nichts, wir müssen in den Korntank“, sagte der Angeklagte damals nach übereinstimmenden Aussagen.

Die Erntehelferin besorgte Schaufeln, mit denen man die Verstopfung beseitigen wollte. Im Inneren des Kornspeichers befinden sich bewegende Teile, etwa eine sich drehende Förderschnecke, die das Korn zur Verladung wieder nach außen bewegt. Der Angeklagte und das Unfallopfer sagten aus, ihnen sei klar gewesen, dass man die Störung nur beheben könne, wenn sich die Schnecken im Inneren bewegten. Ein Sicherungsmechanismus stoppt die Mechanik eigentlich, wenn niemand auf dem Fahrersitz sitzt. Allerdings saß dort die Erntehelferin.

Eigentlich wollten beide Männer über das Dach des Mähdreschers in den Korntank steigen. Der Angeklagte wurde allerdings durch einen Anruf abgehalten. Dem Verunfallten war nach eigener Aussage die Gefahr nicht bewusst. „Ich habe mir in diesem Moment keine großen Gedanken gemacht.“ Bei dem Versuch, die Verstopfung mit einer Schaufel zu beseitigen, rutschte er ab und geriet in die Mechanik. Erst mit dem linken und dann mit beiden Füßen. Das Ganze habe sich binnen Sekunden abgespielt. Die anderen beiden stoppten daraufhin die Maschine.

„Ich war, nachdem ich in die Schnecke eingezogen wurde, noch 25 Minuten bei Bewusstsein“, erinnerte sich der Landwirt. Eine mehrstündige Notoperation noch im Mähdrescher bei Hitze, Dunkelheit und schwierigstem Zugang rettete den Mann. Ärzte und Blutkonserven wurden per Hubschrauber eingeflogen.

Die Staatsanwaltschaft war in ihrer Anklage davon ausgegangen, dass der Beschuldigte den Verunfallten zur Beseitigung der Störung mit einer Schaufel angewiesen habe, obwohl ihm die Gefahr hätte bewusst sein müssen. Während der Verhandlung stellte sich aber heraus, dass die Männer zusammen beschlossen, so vorzugehen und es sich nicht um eine Anweisung an einen Untergebenen handelte. „Hier haben zwei Menschen etwas getan, das brandgefährlich ist“, sagte der Staatsanwalt am Ende. Der Rechtsfrieden sei aber hergestellt.

Die Anklage durch die Staatsanwaltschaft erfolgte von Amts wegen, weil die Behörde auf Basis der zunächst vorliegenden Informationen davon ausging, dass ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehe. Dabei spielt etwa eine Rolle, ob jemand möglicherweise besondere Schuld gehabt haben könnte oder auch die Schwere der Folgen für den Geschädigten.

Bemerkenswert waren die Aussagen des Verunfallten, der den Strafantrag auch nicht selbst gestellt hatte. Er wolle nicht, dass es im Nachhinein noch negative Konsequenzen für jemanden gebe. Das Verhältnis zum Beschuldigten sei weiterhin „gut“ und habe sich durch den Unfall nicht verändert. „Also mir geht’s gut, psychisch auch“, sagte der junge Mann. „Ich hab‘ auch jeden Tag damit zu tun, aber trotzdem geht das Leben ja weiter.“ Er sei nicht in psychologischer Behandlung – nicht aktuell und nicht in der Vergangenheit. Er ist weiterhin im selben Landwirtschaftsbetrieb angestellt wie der ursprünglich Angeklagte und arbeitet seiner Aussage nach hauptsächlich im Büro. „Die Arbeit macht mir Spaß.“

Der Geschädigte zeigte trotz des gravierenden Unfalls keinen Groll dem Beschuldigten gegenüber. Der Staatsanwalt resümierte, man habe einen jungen Mann gehört, der einen tragischen Unfall hinter sich habe, aber sein Leben dennoch im Griff habe. Er blicke optimistisch in die Zukunft und habe auch zum Beschuldigten ein gutes Verhältnis. Die Entscheidung ist rechtskräftig, da die Beteiligten auf Rechtsmittel verzichten.

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