Wird es einen Nachfolger zum 9-Euro-Ticket geben? Darüber wollen am Montag Bund und Länder beraten. Doch noch gibt es Streit um die Finanzierung – der Bund soll mehr zahlen. Umweltverbände gehen derweil auf die Straße und fordern spürbare Entlastungen für die Bürger.
Vor einer Sondersitzung der Verkehrsminister haben Politik und Verbände ihre Positionen zu möglichen Nachfolgelösungen des 9-Euro-Tickets bekräftigt. Umweltverbände wiederholten teils mit Protesten ihre Forderung nach einem sogenannten Klimaticket für 365 Euro im Jahr. Landespolitiker zeigten sich zuversichtlich, dass Bund und Länder bei dem für Montag geplanten Verkehrsministertreffen unter Vorsitz Bremens gemeinsam eine Lösung für ein Nachfolgemodell des 9-Euro-Tickets im Nahverkehr finden.
Verkehrsminister Volker Wissing selbst zeigte sich optimistisch. „Ich bin überzeugt, dass wir am 1. Januar ein bundesweit gültiges und einfach zu buchendes, digitales ÖPNV-Ticket zu einem attraktiven Preis haben werden“, sagte der FDP-Politiker der „Welt am Sonntag“. Er lehne eine Verknüpfung mit der Frage zusätzlicher Bundesmittel für den Nahverkehr ab. Der Bahn-Beauftragte der Bundesregierung, Michael Theurer von der FDP, rief die Länder zu Finanzierungsvorschlägen eines vom Bund unterstützten „Deutschlandtickets“ auf.
Bis Mitte Oktober wollen Bund und Länder herausfinden, ob es ein bundesweit gültiges Nahverkehrsticket geben kann, wie das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Regierungskreise berichtete. Bei der Sonderkonferenz am Montag solle dazu eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden. Auf der nächsten regulären Verkehrsministerkonferenz im Oktober soll die Arbeitsgruppe demnach einen gemeinsamen Vorschlag unterbreiten.
Vor zwei Wochen hatte die Ampel-Koalition angekündigt, sich mit 1,5 Milliarden Euro im Jahr an einem Nachfolgermodell für das populäre Neun-Euro-Ticket beteiligen zu wollen – wenn die Länder ihrerseits zur Finanzierung beitragen. Das bundesweite Ticket solle dann zwischen 49 und 69 Euro im Monat kosten. Doch wie mehrere Medien berichten, stellen die Länder eine Bedingung: Sie wollen angesichts der gestiegenen allgemeinen Kosten für dieses und das nächste Jahr jeweils 1,65 Milliarden Euro extra vom Bund.
Vor der FDP-Zentrale in Berlin-Mitte demonstrierten derweil Umweltaktivisten für das 365-Euro-Klimaticket. Sie forderten erneut die Streichung des steuerlichen Dienstwagenprivilegs. Unter dem Motto „Herr Lindner: 1 Dienstwagen oder 50 Klimatickets?“ stellten sie vor der Bundeszentrale einen Luxuswagen auf der einen Fahrbahn ab, auf der Gegenspur stellten sich 50 Menschen auf. Insgesamt hätten sich etwa 100 Menschen an der Aktion beteiligt, teilte Greenpeace mit.
Als Finanzierungsmöglichkeit für eine Nachfolgeregelung zum 9-Euro-Ticket hatten die Grünen die Abschaffung des sogenannten Dienstwagenprivilegs vorgeschlagen, mit dem Unternehmen Kosten für Firmenwagen steuerlich absetzen können. „Die Förderung eines Porsche 911 als Dienstwagen kostet den Staat so viel Geld wie der Zuschuss zu 50 Klimatickets für einen Jahrespreis von maximal 365 Euro“, teilte Greenpeace nun mit. Auf den Protest reagierte Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner auf Twitter: „Man kann nur wiederholen: Es gibt kein Dienstwagenprivileg, das man streichen könnte, um Geld zu gewinnen. Es handelt sich um eine Pauschalversteuerung, die zum Beispiel auch der ambulant arbeitenden Altenpflegerin das Fahrtenbuch erspart.“
Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verlangte eine Reform der „Bezuschussung von Klimakiller-Dienstwagen“ und forderte vom Bund die komplette Kostenübernahme für eine Nachfolgelösung des 9-Euro-Tickets. Für ein bundesweit gültiges 365-Euro-Klimaticket müsse der Bund 4 Milliarden Euro pro Jahr aufbringen. Die Bundesländer dürften aus Sicht der DUH nicht zur Mitfinanzierung herangezogen werden. Weitere Bundesmittel brauche es für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.
„Mit umgerechnet 29 Euro pro Monat kommt eine wirkliche Entlastung bei den Menschen an, die sich klimafreundlich mit Bus, Bahn und Tram bewegen wollen“, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Tickets mit Preisen von bis zu 69 Euro monatlich bringe Bürgerinnen und Bürgern so gut wie keine Entlastung, kritisiert die DUH. „Aufs Jahr gerechnet wären das 828 Euro – teurer als viele derzeitige regionale Abo-Tickets. Berlin führt ab Oktober als erstes Bundesland ein eigenes 29-Euro-Ticket ein, das im gesamten Stadtgebiet gilt. Es soll aber nur die Zeit bis zu einem bundesweiten Ticket überbrücken, wie der Senat ankündigte.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig von der SPD sagte dem Nachrichtenportal „The Pioneer“: „Wir sind klar für eine Anschlusslösung gemeinsam mit dem Bund und stehen als Land bereit für eine Mitfinanzierung.“ Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil von der SPD bekundete ebenfalls „großes Interesse“ an einer Lösung. Eine Einigung zwischen Bund und Ländern wünscht sich demnach auch die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger, ebenfalls SPD: „Es reicht jedoch nicht, wenn der Bund hier 1,5 Milliarden Euro ins Schaufenster stellt“, sagte sie dem Nachrichtenportal. „Die Regionalisierungsmittel müssen deutlich erhöht werden.“