Angesichts steigender Flüchtlingszahlen in Deutschland sehen Vertreter von Kommunen nach dem Gipfel bei Innenministerin Nancy Faeser weiteren Handlungsbedarf bei der Bundesregierung.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, forderte ein weiteres Spitzentreffen bei Kanzler Olaf Scholz unter Einbeziehung der Länder und Kommunen noch in diesem Jahr. Nur im Dialog zwischen Bund, Ländern und Kommunen könnten die „vor uns liegenden Aufgaben“ bewältigt werden, sagte er der „Rheinischen Post“. Politiker von FDP und Union forderten Faeser unterdessen auf, sich für Maßnahmen auf EU-Ebene starkzumachen, um eine Zuwanderungskrise zu verhindern.
Nach einem Spitzengespräch mit Vertretern von Ländern und Kommunen am Dienstag hatte Faeser angekündigt, der Bund werde 56 zusätzliche Bundesimmobilien für die Unterbringung von 4000 Geflüchteten zur Verfügung stellen. Zudem sollen die Kontrollen an der Grenze zwischen Bayern und Österreich über den November hinaus verlängert werden. Die serbische Regierung forderte sie im Namen der Bundesregierung auf, die visumsfreie Einreise für Staatsangehörige vieler Drittstaaten, die zu einer Zunahme der unerlaubten Einreisen in die EU geführt habe, zu stoppen.
Finanzielle Zusagen machte Faeser indes nicht. „Wir erwarten von Bund und Ländern die vollständige Übernahme aller mit der Aufnahme, Unterbringung und Integration entstehenden Kosten“, forderte Landsberg in der „Rheinischen Post“. „Diese Zusage muss im November erfolgen.“ Die Lage in den Kommunen sei vielfach bereits angespannt und könnte sich im Winter weiter zuspitzen. Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, brachte Kontrollen an der Grenze zu Tschechien ins Gespräch. „Neben den Finanzen geht es uns auch um eine Begrenzung der illegalen Zuwanderung, die derzeit vor allem über die Balkanroute erfolgt“, sagte der CDU-Politiker der „Welt“. Der Bund müsse Wege aufzeigen, „wie illegale Einreisen über Tschechien, Österreich und andere Länder wirksam begrenzt werden können“. Dazu gehöre auch, „Grenzkontrollen gen Österreich fortzuführen oder gegenüber Tschechien einzuführen“.
Prognosen, wie viele Geflüchtete dieses Jahr noch nach Deutschland kommen werden, machte die Ministerin nicht. Von Jahresbeginn bis September haben nach Angaben des Bundes fast 135.000 Menschen einen Erstantrag auf Asyl gestellt und damit knapp 35 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Zudem mussten seit Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar rund eine Million Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht werden, die ohne Visum einreisen können und für einen legalen Aufenthalt keinen Asylantrag stellen müssen.
Politiker von FDP und Union forderten unterdessen ein Handeln auf EU-Ebene. Die Bundesregierung müsse sich für einen Europäischen Flüchtlingsgipfel einsetzen, sagte der Parlamentarische FDP-Geschäftsführer Stephan Thomae der „Augsburger Allgemeinen“. Deutschland könne eine Flüchtlingsbewegung in „dieser Größenordnung“ nicht allein auf nationaler Ebene lösen. „Vielmehr braucht es einen Europäischen Flüchtlingsgipfel, um auch für zukünftige Flüchtlingswellen gewappnet zu sein“, sagte Thomae. Die Bundesregierung müsse für ein gemeinsames Europäisches Asylsystem sorgen, das ein festes Verteilsystem sicherstelle.
Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte eine EU-weite Lösung. „Die Bundesregierung muss eine neue Flüchtlingskrise verhindern“, sagte der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende dem Blatt. „Ich erwarte, dass Innenministerin Faeser ein konkretes Konzept zur schnellen Unterbrechung der Transitrouten vorlegt und mit der EU den besseren Schutz der Außengrenzen organisiert“, betonte er. Es gehe nach dem Flüchtlingsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen nicht nur um Geld für die Flüchtlingsunterbringung. „Die wirksamste Entlastung der Kommunen ist die Beschränkung von illegaler Migration nach Deutschland“, sagte Dobrindt.