In einem kurzfristig anberaumten Krisentreffen hat Bundeskanzler Olaf Scholz mit den Vorsitzenden der wahrscheinlichen künftigen Koalitionsparteien CDU, SPD und CSU über die Folgen der US-Zollentscheidung beraten. Dies berichteten die Nachrichtenagenturen AFP, dpa und Reuters übereinstimmend unter Berufung auf Angaben aus Partei- und Regierungskreisen. In dem Gespräch im Kanzleramt sei es unter anderem um eine Abstimmung der Reaktion auf die US-Zollpolitik und das weitere Vorgehen der EU gegangen.
Für das Gespräch im Kanzleramt verließen die Parteivorsitzenden Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken sowie Markus Söder vorübergehend die Runde der Koalitionsverhandler, die am Morgen in der bayerischen Landesvertretung zusammengekommen war. „Es ist wichtig für die Exportnation Deutschland, dass man mit Europa eng zusammen agiert“, sagte ein Insider. Am Nachmittag gingen die Koalitionsgespräche dann im Beisein der Parteivorsitzenden weiter.
Das Treffen fand statt vor dem Hintergrund weltweit fallender Börsenkurse – an der Frankfurter Börse war der deutsche Leitindex Dax zu Handelsbeginn kurzzeitig um zehn Prozent abgestürzt. Die Börsenabstürze sind direkte Folge der von Trump am Mittwoch verhängten Zölle. Diese sind die bisher umfassendsten Importaufschläge gegen Handelspartner seines Landes. Sie betreffen nahezu alle Produkte und alle Länder weltweit.
Scholz will Handelskrieg abwenden
Kurz vor dem Treffen im Kanzleramt hatte Kanzler-Sprecher Steffen Hebestreit gesagt, die jüngsten Kurseinbrüche an den Börsen seien ein „Weckruf“, dass dieser Weg „am Ende nur Verlierer kennen würde“. Deutschland und Europa müssten deshalb „klug“ und „klar“ agieren, um einen „Handelskrieg“ zu verhindern. Die Bundesregierung sei in dieser Frage immer „gesprächsbereit“ gewesen und bleibe dies auch. CDU-Chef Friedrich Merz hatte von einer dramatischen Lage gesprochen, die sich weiter verschärfen könnte.
Scholz ist seit der Konstituierung des neuen Bundestags vor knapp zwei Wochen nur noch geschäftsführend im Amt. Es ist üblich, dass sich ein scheidender Regierungschef in einer solchen Situation bei weitreichenden politischen Entscheidungen mit den künftigen Regierungsparteien abstimmt.
Die EU bot Trump nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Abschaffung aller Zölle auf Industriegüter auf beiden Seiten an.“Wir haben Null-für-Null-Zölle für Industriegüter angeboten“, sagte von der Leyen in Brüssel. Die EU habe die Abschaffung gegenseitiger Zölle „wiederholt“ angeboten, etwa im Automobilsektor, sagte von der Leyen. „Aber es gab keine angemessene Reaktion auf dieses Angebot“.