Als die Fans inbrünstig „You’ll never walk alone“ sangen, blickte sich Jürgen Klopp mit feuchten Augen in seinem Wohnzimmer an der Anfield Road um.
Zwei Tage nach der Ankündigung seines Abschieds beim FC Liverpool ging dem Teammanager die Reaktion der Anhänger nahe. Transparente mit „Thanks Boss“ und Liebeserklärungen, Schals mit seinem Namen – die Farewell-Tour des 58-Jährigen begann emotional und erfolgreich.
Mit einem 5:2 (2:1) gegen den Zweitligisten Norwich City mit seinem Trauzeugen David Wagner zog Klopp ins Achtelfinale des FA Cups ein – und bleibt mit seinen Reds im Rennen um vier Titel. Liverpool, Tabellenführer in der Premier League, steht auch in der Europa League im Achtelfinale, außerdem im Endspiel des englischen Ligapokals. Im Achtelfinale trifft Liverpool am 28. Februar entweder auf den FC Watford oder den FC Southampton. Die Zweitligisten müssen nach einem 1:1 ein Wiederholungsspiel bestreiten.
„Denkt nicht mehr an mich“, hatte Klopp vor dem Anpfiff gesagt – ein frommer Wunsch, den indes niemand erhörte. „Ich verstehe das, es ist sehr emotional. Aber ich muss aufpassen, dass ich mich davon nicht zu sehr vereinnahmen lasse. Ich hab‘ gesagt, sie müssen das nicht machen, weil ich weiß, was wir für eine Beziehung haben. In den Spielen müssen wir Kämpfer sein und nicht den alten Mann an der Seite feiern. Lachend hatte der Erfolgscoach die Fans hinter der Trainerbank begrüßt, dann sog er die einzigartige Atmosphäre auf – ehe er sich um „Business as usual“ bemühte.
Nach dem Führungstor von Curtis Jones (16.) applaudierte Klopp, nach dem überraschenden Ausgleich durch Ben Gibson (22.) gestikulierte er an der Seitenlinie, nach dem 2:1 von Darwin Nunez (28.) klatschte er lachend alle Umstehenden ab. Nach der Pause erhöhten Diogo Jota (53.), Virgil van Dijk (63.) und Ryan Gravenberch (90.+5) – und Klopp kam aus dem Grinsen nicht mehr raus. Borja Sainz (69.) verkürzte zwischenzeitlich.
Schon am Freitag, als er seinen Abschied für den Sommer nach neun Jahren angekündigte und begründete, hatte Klopp den Blick nach vorne gerichtet und große Emotionen noch nicht zugelassen. „Wir wollen alles aus dieser Saison herausquetschen“, betonte er, „dass ich gesagt habe, ich bin nächstes Jahr nicht mehr hier, ist keine Entschuldigung, einen Schritt weniger zu laufen.“
„Natürlich wünsche ich Jürgen von ganzem Herzen allen Erfolg, den er haben kann“, sagte Norwich-Coach Wagner nach dem Abpfiff. „Es war aber nicht so schön, dass wir auf seiner Abschiedstour durch England der erste Gegner waren und wir haben auch leider nicht das Ergebnis geholt, auf das wir gehofft haben. Aber am Ende des Tages, wünsche ich ihm nur das Beste und alles Glück, das er braucht.“
Zur weiteren Zukunft wollte Klopp sich nicht äußern – weder zu der seines Klubs noch zu seiner eigenen. „Das Letzte, was sie hier brauchen, ist ein Ratschlag des alten Mannes, der rausgeht und sagt: Übrigens, nehmt den“, sagte der 56-Jährige, der derart große Fußspuren hinterlässt wie vor ihm nur die legendären Manager Bill Shankly und Bob Paisley. Anders als bei seinen weitgehend fließenden Übergängen von Mainz nach Dortmund nach Liverpool nimmt Klopp nun aber eine Auszeit. Er sehnt sich nach einem „normalen Leben“, das er „schon zu lange“ nicht mehr hatte. Er wisse zwar nicht mehr, „was normal ist“, aber: „Ich werde schon Dinge finden.“