Die von der Nord Stream 2 AG mitfinanzierte Klimastiftung MV wird die umstrittene deutsch-russische Pipeline nicht länger unterstützen.
Das entschied der Vorstand der Stiftung nach dem Stopp der Zertifizierung der Pipeline durch die Bundesregierung, wie der Vorsitzende Erwin Sellering (SPD) am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur sagte. Laut Sellering, der von 2008 bis 2017 Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern war, wurde der Beschluss gefasst, dass keine weiteren Anstrengungen durch die Stiftung unternommen werden, bei den Restarbeiten zu helfen.
Man sei sich einig, „dass wir dieser Entwicklung nun Rechnung tragen müssen und dass wir als Stiftung nun nicht mehr gebunden sind an den Auftrag, den uns der Landtag damals erteilt hat und ausdrücklich in der Satzung festgeschrieben hat, dass wir trotz der Sanktionen der USA zur Fertigstellung der Pipeline beitragen wollen“. Die Landesregierung hatte die Stiftung bereits am Dienstag gebeten, ihre Arbeit vorerst ruhen zu lassen.
Sellering (SPD), sieht trotz des Stopps der Zertifizierung der umstrittenen deutsch-russischen Pipeline noch die Möglichkeit für eine Kehrtwende. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe eine klare Haltung eingenommen, „er hat quasi die Pipeline Nord Stream 2 auf den Tisch gelegt, aber er hat noch nicht das Aus ausgesprochen. Das finde ich sehr klug, weil das natürlich noch die Möglichkeit lässt – in sozusagen allerletzten Sekunde – zu einer vernünftigen Einigung zu kommen.“
Die Nord Stream 2 AG hat der Klimastiftung insgesamt 20 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. „Die haben wir, die legen wir an, damit arbeiten wir“, so Sellering. Über die Verwendung entscheide allein der Vorstand, „da gibt es keinerlei Einfluss von irgendwem anderen“. Zu Vorwürfen von Transparency Deutschland, wonach die Nord Stream 2 AG erheblichen Einfluss auf die Stiftung habe, sagte er: „Es ist ein Kuratorium vorgesehen, dem etwa 18 Leute angehören sollen. In dem Kuratorium darf auch der Spender des Geldes Nord Stream für die ersten zwei Jahre zwei Mitglieder entsenden. Zwei von 18 und es ist ein rein beratendes Gremium“. Auch Vorwürfen, wonach der Vorstand von Russland finanziert werde, entgegnete er, dieser arbeite rein ehrenamtlich.
Die Stiftung war nach einem Landtagsbeschluss vom Januar 2021 gegründet worden. Das Land Mecklenburg-Vorpommern gab lediglich 200 000 Euro Stiftungskapital, Nord Stream hingegen 20 Millionen Euro. Ein Hauptziel der Stiftung war, den Fertigbau der Leitung Nord Stream 2 durch die Ostsee unter den Sanktionsdrohungen der USA gegen beteiligte Unternehmen zu unterstützen. Die Pipeline ist fertiggebaut, jedoch wurde der Prozess der Betriebsgenehmigung von der Bundesregierung am Dienstag gestoppt. Daneben unterstützt die Klimastiftung auch Umweltprojekte in Mecklenburg-Vorpommern.
Die Deutsche Umwelthilfe hatte die Stiftung am Mittwoch zuvor auch als Fake-Stiftung bezeichnet, ihre Auflösung gefordert sowie eine unabhängige Untersuchung, welches Netzwerk aus Politik und wirtschaftlichen Interessen sich hinter der Stiftung verberge. Das von der Nord Stream 2 AG eingezahlte Stiftungskapital von „mindestens 20 Millionen Euro“ müsse die Landesregierung zurücküberweisen. Justizministerin Jacqueline Bernhardt (Linke) verteidigte die Anerkennung. Die Stiftungsbehörde habe die Rechtmäßigkeit des Stiftungsvorhabens geprüft und bejaht, erklärte sie.
Der 72-jährige Ex-Politiker ist trotz der angespannten Lage der Ansicht, dass ein gutes partnerschaftliches Verhältnis zwischen Deutschland und Russland in Zukunft wichtig ist. Er wies auch auf die Folgen einer weiteren Eskalation hin. Aus seiner Sicht werden alle Sanktionen gegenüber Russland, die aktuell im Gespräch sind, auch in Deutschland hohe Kosten hervorrufen. „Wir haben im Klimaschutz eine riesige Aufgabe vor uns und die wird nicht gelingen, wenn wir die Bevölkerung nicht mitnehmen können. Und wir werden sie nicht mitnehmen können, wenn die Energiepreise explodieren“, sagte er.
Angesprochen auf seine Zeit als Ministerpräsident verteidigte Sellering die Nähe seines Bundeslandes zu Russland. „Ich stehe nach wie vor dazu, dass wir das gemacht haben“, und er bedauere sehr, dass die Beziehungen durch die gegenseitig ausgesprochenen Sanktionen immer schwieriger geworden seien. Der Kurs – um Investitionen durch russische Unternehmen zu werben – hatte bereits 2014 für Kritik gesorgt, als Russland die ukrainische Halbinsel Krim annektierte.
Es sei die wichtigste Aufgabe zu seiner Zeit als Ministerpräsident gewesen, den wirtschaftlichen Aufholprozess des Landes voranzubringen, erläuterte Sellering. Mecklenburg-Vorpommern habe hierbei viele Nachteile im Vergleich zu anderen – westdeutschen – Ländern, „aber es hat einen Vorteil, einen klaren Vorteil, nämlich dass wir wirtschaftlich anknüpfen konnten an die guten Beziehungen zum Osten, die die DDR gehabt hat, und vor allem zu Russland“.
Er habe damals entschieden, hieran mit Wirtschaftsdelegationen und das Werben um russische Unternehmen anzuknüpfen. „Und da kann man schon sagen, dass wir die große Chance gesehen haben, durch eine besonders enge wirtschaftliche Verbindung das Land voranzubringen“.
Zum Thema Russlandtag wies Sellering darauf hin, dass das keine politische Veranstaltung, sondern ein reiner Wirtschaftstag gewesen sei. Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hatte am Dienstag den seit 2014 alle zwei Jahre stattfindenden Wirtschaftsgipfel vorerst auf Eis gelegt. „Ein nächstmöglicher Russlandtag könnte frühestens 2023 stattfinden. Man kann heute noch nicht sagen, wie die Lage dann sein wird. Deshalb wird die Landesregierung auch diese Pläne ruhend stellen“, sagte der Chef der Schweriner Staatskanzlei, Patrick Dahlemann (SPD).