Als Uli Hoeneß die Gerüchte um einen Bayern-Wechsel von Florian Wirtz höchstpersönlich abräumt, durften sie bei Bayer Leverkusen zumindest kurz aufatmen. Für einen Transfer des umworbenen Jungstars bräuchte der Rekordmeister „ein Sondervermögen, wie die Bundesregierung“, sagte der Ehrenpräsident der Münchner der „Welt am Sonntag“ – und fügte einen Satz an, der die Fans der Leverkusener auf einen Wirtz-Verbleib hoffen lässt. Eine Verpflichtung des 21-Jährigen sei „im Moment kein Thema“.
Mit Blick auf die jüngste Zeit sind es schon eher überraschende Sätze. Über Monate betrieb Hoeneß eine öffentliche Charmeoffensive um den Nationalspieler. Er schob im Interview dem Vorhaben aufgrund des fast aufgebrauchten Festgeldkontos einen Riegel vor. Denn das sei fast leer, sagte er. Wie gerne der 73-Jährige Wirtz in München hätte, ist jedoch bekannt. „Aber das ist meine Meinung als Privatmensch, und der Spieler steht bei Bayer Leverkusen unter Vertrag“, sagte Hoeneß jetzt.
Und dennoch dürften sie bei Bayer Leverkusen noch nicht vollständig aufatmen. Denn selbst, wenn der FC Bayern die große Werbekampagne herunterfahren sollte, fehlt eine wichtige Sache noch: eine Unterschrift unter dem neuen Vertrag von Wirtz. Das aktuelle Arbeitspapier läuft noch bis 2027, dem Vernehmen nach soll ihm schon eine neue Version unterschriftsreif vorliegen.
Eberl macht kryptische Andeutungen
Der Ausnahmekönner ist zwar bereit für den finalen Angriff auf den FC Bayern, doch die anvisierte Aufholjagd wird von den lästigen Spekulationen um seine Zukunft überlagert. Warum zögert Wirtz? „Das müsst ihr ihn persönlich fragen“, sagte Leverkusens Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes. Den Bayer-Chefs bleibt nicht anderes übrig, als geduldig zu warten. Die Münchner waren im Werben um den Zauberfuß aber längst nicht alleine. Vor allem der englische Meister Manchester City soll Wirtz als Nachfolger von Kevin De Bruyne auserkoren haben.
Und da ist die Frage: Wie ernst hatte Hoeneß seine Avancen vor dem Interview gemeint? Wochen-, gar monatelang schwärmte er davon, dass die beiden deutschen Ausnahmetalente auch in einem Klub vereint sind: Jamal Musiala und Wirtz. Und plötzlich soll sich das mit Verweis auf das Festgeldkonto erledigt haben? Schon lange ist klar, dass es ein großes Finanzpaket bräuchte, das in Harry-Kane-Sphären liegen würde. Der englische Nationalstürmer wechselte für rund 100 Millionen Euro Ablöse von Tottenham Hotspur zu den Bayern. Das ist nicht erst seit dieser Woche bekannt. Oder war die Schwärmerei nur dazu da, um Unruhe bei Bayer Leverkusen zu stiften?
Und das, was Hoeneß öffentlich sagt, steht im Widerspruch zu dem, was über das Innenleben des Rekordmeisters berichtet wird. Unter der Woche schreibt das Fachmagazin „Kicker“, dass der FC Bayern offenbar zu einem „All-in“ in der Causa Wirtz bereit sei. Es heißt, so berichtet der „Kicker“, dass intern Hoeneß sogar bereit wäre, einer Kreditaufnahme zuzustimmen, um Wirtz aus seinem Vertrag herauszukaufen. Auch Sportvorstand Max Eberl weckte beim Abschied von Thomas Müller große Erwartungen. „Ich kann noch nicht alles sagen, was wir im Sommer vorhaben. Aber wenn man das Gesamtbild sieht, sind wir zu dieser Entscheidung gekommen, für die wir keinen Applaus erhalten“, sagte er.
Lothar Matthäus sagte noch kürzlich, vor den überraschenden Hoeneß-Sätzen, dass er nicht völlig ausschließe, dass Wirtz im Sommer bei den Bayern lande – trotz der hohen Ablöse. „Uli Hoeneß wünscht sich das und er erfüllt sich eigentlich alle Wünsche beim FC Bayern“, sagte Matthäus. „Also Uli ist ja schon seit längerer Zeit in Kontakt mit der Familie Wirtz. Das ist kein Geheimnis. Der Vater Wirtz war schon das eine oder andere Mal am Tegernsee zum Besuch.“ Die Frage ist nur, wie ernst Hoeneß es mit dem Wunsch gemeint hat.