Fachärztin Alexa Priem ist seit fast einem Jahr Hausärztin im MVZ am Lettowsberg in Bad Doberan. Im Interview spricht sie über die Leidenschaft für ihren Beruf sowie ihre Ziele und Herausforderungen…
Frau Priem, Sie sind Fachärztin für Allgemeinmedizin und seit nun schon fast ein Jahr im Medizinischen Versorgungszentrum „Am Lettowsberg“ in Bad Doberan tätig. Wie verlief Ihre bisherige berufliche Karriere?
Vermutlich hat meine berufliche Karriere mit einem roten Arztkoffer begonnen, den ich im Alter von drei Jahren geschenkt bekam. Unser gutmütiger Riesenschnauzer musste fortan für lieb gemeinte Therapien herhalten. Schülerpraktika absolvierte ich wiederholt im Krankenhaus und nach meinem Abitur begann sogleich ein Pflegepraktikum. Nach einem Jahr im Ausland, wo ich als Au-pair-Mädchen einen schwer behinderten Jungen mitbetreute, begann ich eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Vor und während meines Medizinstudiums in Greifswald arbeitete ich als examinierte Krankenschwester auf einer neurologischen Intensivstation sowie stundenweise in einem Pflegeheim.
Im Dezember 2015 begann ich nach dem Staatsexamen meine Ausbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin zunächst im Krankenhaus Bützow, wo ich die Fachbereiche Innere Medizin, Chirurgie, Anästhesie/ Intensivmedizin und Palliativmedizin durchlief. Anschließend war ich Teil des Teams der Hausarztpraxis Gloyna/Bruhn/Burdenski und danach mit ganzem Herzen in der Kinderarztpraxis von Dres. Richter und Sengbusch tätig, bevor ich in die Median Klinik Bereich Psychosomatik wechselte. Die letzten 1,5 Jahre meiner insgesamt sechsjährigen Weiterbildungszeit verbrachte ich in der Praxis von Dr. Akkermann in Bad Doberan.
Als ich gefragt wurde, ob ich erst die Vertretung und dann die Nachfolge von Frau Dr. Schickentanz antreten wolle, war ich in der Median Klinik Heiligendamm als Oberärztin angestellt. Am 1.12.2022 nahm ich dann meine hausärztliche Arbeit im MVZ Am Lettowsberg auf und fühle mich seitdem sehr wohl im Team und mit meinen Patienten.
Was hat Sie bewogen, Ihre Anstellung als Oberärztin für das Medizinische Versorgungszentrum aufzugeben und als Allgemeinmedizinerin komplett einzusteigen?
Wenn man die Arbeit in der Klinik mit der hausärztlichen Tätigkeit vergleicht, denke ich an den Vergleich von Kurzgeschichten und Romanen. Mit jeder Seite erfährt man mehr über die Protagonisten. Man begleitet sie ein Stück bei ihrer Lebensgeschichte in guten wie in schlechten Zeiten und am Ende ist man Fachmann, was das Abenteuer des Romanhelden anbelangt. Ich bin der Meinung, dass gute Medizin auf einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis basiert. Nur, wer seinem Arzt und seinem Handeln vertraut, kann sich auf die Therapie einlassen, die Genesung bringen soll. Und nur, wer seine Patienten kennt, ihnen gut zuhört und die richtigen Fragen stellt, kann eine Therapie einleiten, die individuell und für den Patienten in seiner aktuellen Lebenssituation passend ist. Die ganzheitliche Therapie meiner Patienten liegt mir sehr am Herzen. Je besser ich meine Patienten kenne, umso besser kann ich sie unterstützen. Dies wäre in der Klinik so nicht möglich gewesen.
Worin liegen Ihre Tätigkeitsschwerpunkte und macht diese so besonders?
Das Studium der Humanmedizin macht mich zur Schulmedizinerin. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es neben der Schulmedizin uralte Heilmethoden gibt, zum Beispiel die Naturheilkunde, die über Jahrhunderte erprobt und durch moderne Wissenschaft als wirksam bewiesen wurden. Viele Hausmittel sind in den letzten Jahren in Vergessenheit geraten, sind aber noch so wirksam wie eh und je. Dennoch verlassen wir uns immer mehr auf chemische Keulen aus der Pharmaindustrie oder auf eine Operation, die uns scheinbar augenblicklich genesen lässt. Dabei kann jeder Einzelne selbst so viel tun, um gesund zu werden und zu bleiben. In diesem Kontext versuche ich gemeinsam mit meinen Patienten bei entsprechenden Krankheitsbildern zuerst einen Blick in die „grüne Apotheke“ zu werfen. Einige Leiden lassen sich rasch und ohne Nebenwirkungen kurieren- einige sogar gleich vor Ort. Andere Erkrankungen erfordern kompromisslos eine sofortige medikamentöse Therapie oder Operation. Mir ist es wichtig, meine Patienten im Krankheitsfall umfassend zu beraten und verschiedene Therapie-Optionen aufzuzeigen, Vorsorge und Prävention stets zu forcieren und die Eigenverantwortung meiner Patienten zu stärken. Am Ende geht es um die Gesundheit eines jeden Patienten und da hat vor allem der Patient ein Wörtchen mitzureden!
Was macht eine gute Hausärztin aus und was bedeutet das für Sie?
Verantwortungsbewusstsein, Respekt vor dem Leben und ein wacher Kopf machen eine gute Hausärztin aus. Ich wünsche mir, dass sich meine Patienten mit allen gesundheitlichen Sorgen an mich wenden- ohne Scheu oder falsche Vorbehalten. Jede Sorge wird ernst genommen. Nur wenn ich das Problem kenne, kann ich meinen Patienten weiterhelfen und ggf. eine sinnvolle Diagnostik und Therapie einleiten. Hierfür ist dann manchmal die Überweisung an den Facharzt notwendig. Oft sind es kleine Informationen, die, als vermeintlich unwichtig empfunden nicht angesprochen werden oder körperliche Befunde, die aus Scham nicht gezeigt werden und ein Leiden unnötig in die Länge ziehen. Erkrankungen, die früh entdeckt werden, lassen sich meist gut behandeln, sind sie jedoch weit fortgeschritten, ist die Prognose oft weniger günstig. Der medizinische Alltag bedeutet stets auch detektivisch tätig zu sein und im Praxis-Alltag aufmerksam zu bleiben. Die meisten Informationen über den Gesundheitszustand meiner Patienten erhalte ich im Gespräch und durch eine gewissenhafte Untersuchung. Insgesamt ist es meiner Meinung nach die Nähe zum Patienten, die eine gute Hausärztin ausmacht. Da wird auch mal ein privates Wort gewechselt und von Sorgen und familiäre Probleme berichtet.
Haben Sie im medizinischen Bereich ein Vorbild, das Ihre berufliche Laufbahn besonders geprägt hat?
Am meisten lernte ich in meiner Zeit in Nepal. Zum Lösen aller medizinischer Probleme hatten wir fast ausschließlich unseren Kopf und unsere Hände zur Verfügung. Und erstaunlicherweise waren diese Hilfsmittel oft ausreichend. Besonders Dr. Surendra aus Dolakah hat mich durch seine medizinische Kompetenz, seine Ruhe und Herzlichkeit sehr geprägt. In meiner Facharztausbildung hatte ich das Glück an der Seite vieler wunderbarer Ärztinnen und Ärzte zu arbeiten. Sie alle brachten mich sowohl beruflich als auch menschlich weiter. Ich lernte von vielen Schwestern und Pflegern in Klinik und Praxis, deren Hinweise oft „Gold wert waren“. Die wichtigsten Lektionen aber lernte ich von meinen großen und kleinen Patienten. Ihnen allen bin ich sehr dankbar!
Gibt es Hobbys?
Neben Beruf, Haus und unseren zwei Töchtern, halte ich meinem Mann für sein zeitintensives Ehrenamt den Rücken frei. Da bleibt nur wenig Zeit für Hobbys. Meine Freizeit verbringe ich am liebsten mit meiner Familie gemeinsam in der Natur und mit befreundeten Familien. Wenn ich meinen Chor, mein Yoga und den Standardtanz vermisse, schaue ich in die Gesichter meiner Kinder und genieße die Momente ihrer viel zu kurzen Kindheit. Dann singen wir einfach gemeinsam, tanzen zu Kinderliedern oder üben lustige Yogaposen ein. Ein Gang durch meinen Garten, ein bisschen Unkraut jäten in meinem Kräutergarten oder eine Tasse Tee auf den Stufen vorm Haus vertreiben ganz schnell den Alltagsstress. Mit ein bisschen Achtsamkeit finde ich so im Alltag den Ausgleich, den ich brauche.
Foto: SBD