Ein Fabian Reese in Galaform, ein Internet-Star auf dem Platz – und Tjark Ernst als Held im Elfmeter-Krimi: An einem wilden Pokalabend hat Hertha BSC erstmals seit 2016 wieder das Viertelfinale des DFB-Pokals erreicht und darf vom Finale im eigenen Stadion träumen. Gegen den Hamburger SV gewann das Team von Trainer Pal Dardai ein denkwürdiges Achtelfinale mit 5:3 im Elfmeterschießen.
Ernst avancierte im Duell vom Punkt zum umjubelten Mann des Abends, als er den Schuss von Ransford-Yeboah Königsdörffer hielt. Reese machte mit dem letzten Schuss alles klar. Nach 120 Minuten hatte es 3:3 (2:2, 1:2) gestanden, nachdem Wirbelwind Reese (21., 90.) und Jonjoe Kenny (120.) für Hertha und Immanuel Pherai (31.), Laszlo Benes (43.) und Königsdörffer (102.) für den HSV getroffen hatten. „Ich bin zufrieden mit der Mannschaft, wir haben nie aufgegeben“, sagte Dardai bei Sky: „Wir dürfen jetzt genießen und dann regenerieren.“ Hamburgs Sebastian Schonlau meinte: „Natürlich tut es weh, aber wir haben es uns selbst zuzuschreiben.“
Es ist schon jetzt der erfolgreichste Pokal-Lauf der Herthaner seit der Saison 2015/2016, in der die Berliner erst im Halbfinale an Borussia Dortmund gescheitert waren. Der Traum vom Finale am 25. Mai des kommenden Jahres im heimischen Olympiastadion lebt. Lediglich der zweiten Mannschaft im Jahr 1993 war bislang diese Ehre vergönnt gewesen, als der damalige Regionalligist 0:1 gegen Bayer Leverkusen unterlag.
„Es ist ein Sahne-Mittwoch, ein Top-Spiel“, hatte Dardai im Vorfeld gesagt: „Hopp oder top.“ Und die Berliner Fans setzten gleich den Ton, indem sie vor Anpfiff in der Ostkurve Feuerwerk zündeten, dass die Funken nur so flogen. Auf das Spielfeld übertrug sie die feurige Atmosphäre erst gemächlich. Nur gelegentlich kombinierten sich die Gäste gut vor das Tor, ehe sie jedoch an einem Berliner Bein hängenblieben – und Hertha? Der massive Ballbesitz führte zunächst zu wenig Gefahr, bis Reese aufdrehte. Als die Hamburger eine Flanke von Florian Niederlechner unglücklich klärten, schoss der gebürtige Kieler erst an den Pfosten und dann ins Netz.
Für die Antwort brauchte es in dieser Phase eine Einzelaktion, weil die Herthaner Abwehr sämtliche Bemühungen bis dato kompakt verteidigte. Pherai, zuvor an Hertha-Torwart Tjark Ernst gescheitert, ließ dem Schlussmann mit seinem Schuss aus 25 Metern diesmal keine Chance. Plötzlich war der HSV wach! Nach Ablage von Andras Nemeth zielte Benes (41.) erst knapp vorbei, bevor er zwei Minuten später nur noch abstauben musste. Ernst hatte eine Flanke Levin Öztunalis vor Benes‘ Füße abklatschen lassen.
Nach der Pause startete die zweite Hälfte mit wesentlich mehr Schwung als die erste. Mit einer Ecke an den Pfosten (49.) überraschte Benes die Berliner, die über Reese agil blieben. Per schöner Außenristflanke fand der 26 Jahre alte Mittelstürmer Haris Tabakovic (52.), seinen kongenialen Partner, der jedoch an Hamburgs Pokalkeeper Matheo Raab scheiterte. Sogar mit dem Kopf klärte der Ersatzmann der etatmäßigen Nummer eins Daniel Heuer Fernandes, als es Reese (64.) aus spitzem Winkel versuchte.
Für den Endspurt brachte Dardai Internet-Star Nader El-Jindaoui, der zu seinem Profi-Debüt kam. Der Offensivspieler, dem im Netz Millionen Menschen folgen, wurde in der 80. Minute eingewechselt. Es war Reese, der die Hertha in die Verlängerung rettete. Dort brachte Königsdörffer die Gäste wieder in Führung. Doch in der letzten Minute der Verlängerung schlug Kenny zu und erzwang die Entscheidung vom Punkt.