Vier Jahre nach dem Beginn der Corona-Pandemie wird der Ruf nach einer parlamentarischen Aufarbeitung der damaligen Krisenpolitik immer lauter.
Die FDP forderte angesichts der Veröffentlichung der Protokolle des Corona-Krisenstabs des Robert-Koch-Instituts (RKI) die Koalitionspartner SPD und Grüne auf, einer Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Pandemie zuzustimmen. „Strukturelles Versagen und mangelnde Krisenfestigkeit im Bildungs-, Sozial-, Wirtschafts- und Gesundheitssektor müssen klar benannt und analysiert werden“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Das sind wir auch den jungen Menschen, Arbeitnehmern und Selbstständigen, die stark unter den strikten Maßnahmen zu leiden hatten, schuldig“, betonte er. Eine Bewertung der nationalen Pandemiemaßnahmen könne auch dazu beitragen, gesellschaftliche Risse zu kitten, mahnte der FDP-Politiker.
Der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann kritisierte, es gebe nach wie vor keine Zustimmung der Koalitionspartner zu einer Enquete-Kommission. „Es ist unverständlich, woher dieser Widerstand kommt. Auch wenn die Arbeitsbelastung bereits hoch ist, dürfen wir aber als Parlamentarier nicht vor der zusätzlichen Arbeit zurückschrecken, die notwendig ist, um unsere Aufgaben zu erfüllen“, sagte er dem RND. Die Protokolle des RKI böten für eine Untersuchung eine solide Grundlage. „Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert gewesen, dass das RKI-Corona-Protokoll bereits früher transparent zugänglich gemacht worden wäre“, so Ullmann. Es werfe Fragen auf, warum diese Informationen erst jetzt verfügbar seien. „Dies könnte Verschwörungstheoretikern zugutekommen“, beklagte der FDP-Politiker.
Nach der Veröffentlichung von Protokollen des Robert Koch-Instituts mit vielen geschwärzten Stellen hatte zuvor auch der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki von SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach volle Transparenz verlangt. „Ich fordere Karl Lauterbach deshalb auf, sämtliche Protokolle des RKI-Krisenstabs ohne Schwärzungen zu veröffentlichen“, sagte der FDP-Politiker in Berlin. „Früher oder später wird er ohnehin gezwungen werden, entweder gerichtlich oder politisch, dies zu tun. Ich werde mich jedenfalls als Parlamentarier dafür einsetzen, dass sämtliche Entscheidungsgrundlagen dieser Zeit öffentlich werden“, betonte Kubicki. Er richtete schwere Vorwürfe an das RKI und auch an den früheren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn von der CDU. „Es wird immer deutlicher, dass das Robert Koch-Institut für die Gesundheitspolitik von Jens Spahn und wohl auch Karl Lauterbach als wissenschaftliche Fassade gedient hat.“
Das linke Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hatte ebenfalls eine umfassende Aufklärung verlangt. „Eine Enquete-Kommission reicht nicht aus. Notwendig ist ein Untersuchungsausschuss, um die Zeit mit den größten Grundrechtseinschränkungen in der Geschichte der Bundesrepublik zu beleuchten“, sagte Wagenknecht der dpa. Die Bevölkerung habe ein Recht auf Aufarbeitung. „Besonders das Schließen von Kitas und Schulen sowie die Ausgrenzung von Ungeimpften müssen untersucht werden, auch um Schlussfolgerungen für künftige Pandemien zu ziehen.“
Bundesgesundheitsminister Lauterbach wies Vermutungen über eine äußere Einflussnahme auf eine grundlegende Risiko-Einschätzung des RKI zu Beginn der Corona-Krise 2020 zurück. „Das RKI hat unabhängig von politischer Weisung gearbeitet“, sagte der SPD-Politiker in Köln zu einem Bericht des Online-Magazins „Multipolar“.