Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, warnt vor schmerzhaften Folgen eines akuten Gasmangels.
„Es ist leider nicht völlig auszuschließen, dass wir Entscheidungen treffen müssen, die furchtbare Konsequenzen für Unternehmen, für Arbeitsplätze, für Wertschöpfungsketten, für Lieferketten, für ganze Regionen haben“, sagte Müller dem „Handelsblatt“.
Die Bundesregierung hatte am Montag per Anordnung die Bundesnetzagentur vorübergehend als Treuhänderin für Gazprom Germania eingesetzt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck begründete dies mit unklaren Rechtsverhältnissen und einem Verstoß gegen Meldevorschriften. Gazprom ist nach wie vor der größte Gaslieferant Deutschlands. Laut Müller werde der Schritt dem Markt Stabilität bringen.
Besorgt zeigte er sich jedoch angesichts der Füllstände der von Gazprom Germania betriebenen Erdgasspeicher. „Wir sehen, dass der Speicher in Rehden zu weniger als einem Prozent befüllt ist. Das ist sehr nahe an der technischen Untergrenze. Bildlich gesprochen ist es also kurz vor zwölf“, sagte Müller. Laut aktuellem Lagebericht der Bundesnetzagentur ist die Gasversorgung in Deutschland aber stabil, die Speicher sind zu 26,45 Prozent gefüllt (Stand 3. April 2022).
Die Bundesnetzagentur versuche derzeit, eine Gasmangellage zu verhindern, in dem man in verschiedenen Branchen nach Einsparpotenzialen suche, so Müller. „Wir wollen nicht, dass die dritte Stufe des ‚Notfallplans Gas‘ ausgerufen werden muss.“ Der „Notfallplan Gas“ legt fest, wer in Deutschland noch beliefert wird, wenn das Gas nicht mehr für alle ausreicht. Private Verbraucher und soziale Dienste wie Krankenhäuser unterliegen einem besonderen Schutz.
So könnte es bei einem Ausfall von russischem Gas dazu kommen, dass bestimmte Unternehmen von der Versorgung sprichwörtlich abgeklemmt werden. Aktuell könne man nicht festlegen, welches Unternehmen in welcher Situation konkret abgeschaltet werden müsse. „Eine solche Abschaltkaskade ist schlicht nicht vorhersehbar. Eine verbindliche Abschaltliste ist eine absurde Vorstellung, die der Dynamik nicht gerecht wird.“
Für den Extremfall stehe laut Müller bereits ein Krisenstab von 65 Leuten bereit, der im Schichtbetrieb rund um die Uhr eine entsprechende Verteilung regeln könnte. „Wir haben dafür die entsprechende Infrastruktur. Es stehen Feldbetten zur Verfügung, wir haben Essensnotrationen bestellt und die Tanks für die Notstromversorgung gefüllt.“