Bundesverkehrsminister Volker Wissing hat schärferen Vorschriften für ältere Autofahrerinnen und Autofahrer erneut eine Absage erteilt.
„Eine verpflichtende Gesundheitsuntersuchung ab einem gewissen Alter kommt für uns in Deutschland nicht in Betracht“, sagte Wissing in Brüssel. Die EU-Verkehrsminister einigten sich bei ihrem Treffen auf einen Kompromiss, nach dem zusätzliche Gesundheitstests grundsätzlich möglich sind, die Entscheidung darüber läge aber bei den Mitgliedsländern. In Deutschland wären schärfere Regeln für ältere Menschen damit wohl vom Tisch. Verpflichtende ärztliche Untersuchungen seien „nicht verhältnismäßig“, betonte Wissing. Neben Deutschland hatten sich unter anderem auch Österreich und Belgien gegen eine solche Regelung eingesetzt.
Dem Kompromiss zufolge sollen die Mitgliedstaaten von Führerscheininhabern entweder eine ärztliche Tauglichkeitsprüfung oder eine Selbstauskunft über ihre Gesundheit verlangen. Diese müssten Autofahrerinnen und Autofahrer vorweisen, wenn sie alle 15 Jahre ihren Führerschein neu beantragen. Die EU-Kommission hatte zudem vorgeschlagen, dass der Führerschein für Menschen ab 70 Jahren nur noch fünf Jahre lang gültig sein soll. Sie müssten demnach häufiger Angaben über ihre Gesundheit machen.
Verkehrsminister Wissing lehnt diese zusätzlichen Vorschriften ab. Eine Selbstauskunft biete keinen Mehrwert für die Verkehrssicherheit, kritisierte er. „Ich halte das für eine überflüssige Bürokratie“, sagte Wissing in Brüssel, die Behörden seien ohnehin überlastet. Deutschland stimmte deshalb auch dem Kompromiss nicht zu, wurde aber überstimmt. Das EU-Parlament muss seine Position zu dem Gesetzesvorschlag noch festlegen. Anschließend verhandeln Mitgliedstaaten und Abgeordnete über das finale Gesetz. Die Führerscheinreform soll zudem das begleitete Fahren ab 17 Jahren in allen Mitgliedsländern sowie einen EU-weit gültigen digitalen Führerschein einführen.
Wissing unterschätzt nach Ansicht eines Unfallforschers die Gefahr durch Senioren am Steuer. Zwar seien ältere Menschen mit Blick auf die absoluten Zahlen im Schnitt nicht öfter an Unfällen beteiligt, dies liege aber daran, dass sie deutlich weniger unterwegs seien, sagte der Leiter der Unfallforschung der Versicherer, Siegfried Brockmann, der Deutschen Presse-Agentur. Gemessen an der Fahrleistung sterben Brockmann zufolge bei Unfällen, an denen Menschen über 75 Jahren beteiligt sind, genauso viele Menschen wie bei Unfällen, an denen die Hochrisikogruppe der 18- bis 21-Jährigen beteiligt ist.
Brockmann schlägt als Maßnahme für mehr Verkehrssicherheit verpflichtende Fahrten für ältere Menschen mit Profis vor. Diese könnten dann eine Rückmeldung zu deren Fahrverhalten geben, ohne aber die Möglichkeit zu haben, Menschen den Führerschein wegzunehmen. Wie aus Zahlen des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden hervorgeht, haben ältere Autofahrer häufiger die Hauptschuld als jüngere, wenn sie an Unfällen mit Personenschaden beteiligt sind. Der Statistik zufolge waren Menschen ab 65 vergangenes Jahr in mehr als zwei Dritteln dieser Fälle (69 Prozent) die Hauptverursacher.