Der Verkehr mit Zügen, Bussen und Flugzeugen in Deutschland ist am Montag weitgehend zum Erliegen gekommen.
Seit Mitternacht läuft ein großer Warnstreik der Bahngewerkschaft EVG und von Verdi. Von dem 24-stündigen Arbeitskampf sind Millionen Berufspendler und Reisende sowie weite Teile des Güterverkehrs betroffen. Größere Staus im Straßenverkehr über die üblichen Behinderungen im Berufsverkehr hinaus wurden am Morgen nur vereinzelt von der Polizei gemeldet. Teils war von stockendem Verkehr die Rede, aber ohne größere Einschränkungen infolge des Großstreiks.
Der ADAC berichtete von deutlich mehr Verkehr und Behinderungen auf Autobahnen, ein Chaos sei am Morgen aber ausgeblieben. Rund um die Ballungsräume stocke der Verkehr zwar, „einen Kollaps oder ein Riesenchaos sehen wir aber nicht“, sagte eine Sprecherin. Aus ihrer Sicht haben die frühe Ankündigung und die Berichterstattung womöglich dafür gesorgt, dass viele Menschen sich auf den Warnstreik eingestellt hätten: „Wer kann, ist im Homeoffice geblieben.“
Auf der Schiene ist der Fernverkehr am Montag komplett und der Regionalverkehr zunächst größtenteils eingestellt. Bestreikt werden nahezu sämtliche deutsche Flughäfen. Wasserstraßen und Häfen sowie die Autobahngesellschaft sind ebenfalls betroffen. In sieben Bundesländern wird zudem der öffentliche Nahverkehr bestreikt. Mit den ganztägigen Warnstreiks wollen die Gewerkschaft Verdi und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) den Druck in ihren Tarifverhandlungen erhöhen.
Parallel zum Ausstand sind an diesem Montag Gewerkschaften und Arbeitgeber im öffentlichen Dienst wieder zu Gesprächen zusammengekommen. Bei der EVG stehen weitere Verhandlungen mit der Deutschen Bahn und anderen Bahnunternehmen erst später an. Verdi-Chef Frank Werneke betonte: „Mit dem Streiktag im Verkehrsbereich soll den Arbeitgebern noch einmal unmissverständlich klargemacht werden, dass die Beschäftigten eindeutig hinter unseren Forderungen stehen.“
Die Verhandlungen gestalten sich jedoch als schwierig. Eine Einigung bahnt sich nicht an. Die Gewerkschaften müssten den Arbeitgebern von ihren hohen Forderungen entgegenkommen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Karin Welge, kündigte an, die Arbeitgeber würden zunächst kein neues Angebot vorlegen. Werneke bemängelte die Tariflaufzeit von 27 Monaten als „gänzlich inakzeptabel“.
Welge kritisierte, die Tarifpartner hätten sich im vergangenen Jahr schon darauf verständigt, in drei Verhandlungsrunden zueinander zu kommen. „Deswegen erstaunt diese Massivität der Streiks vor der dritten Verhandlungsrunde schon deutlich“, sagte Welge im Radiosender Bayern 2. Sie gehe zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass ein Abschluss gelinge. Der Chef des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, warnte vor einer Ausweitung der Arbeitskämpfe. Die Deutsche Bahn sprach von einem „übertriebenen Streik“. Gewinner des Tages seien die Mineralölkonzerne.
Die Bahn will entsprechend, dass die EVG schnell an den Verhandlungstisch zurückkehrt. „Es ist sehr befremdlich, dass man heute streikt und erst in fünf Wochen bereit ist, wieder mit uns zu verhandeln“, sagte Bahn-Sprecher Achim Stauß.
Die EVG bestreikt den Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr. Der Fernverkehr wurde eingestellt, der Regionalverkehr größtenteils zumindest seit Streikbeginn. Ob am Nachmittag im Regionalverkehr einzelne Linien aufgenommen werden, hängt laut Deutscher Bahn vom Streikverlauf ab. Auswirkungen dürften auch am Dienstag zu spüren sein. Auch nicht bestreikte Privatbahnen waren betroffen, weil Beschäftigte in den Stellwerken der DB Netz streikten.
380.000 Geschäfts- und Privatreisende müssen laut Flughafenverband ADV am Boden bleiben. Am größten Airport Frankfurt gab es keinen regulären Passagierbetrieb, für Montag waren ursprünglich etwa 1170 Starts und Landungen mit rund 160.000 Passagieren geplant. In München sollten 785 Flüge ausfallen. Zum Flughafen Köln/Bonn hieß es bei Verdi: „Hier ist alles dicht.“ Dort sollten mindestens drei Viertel der Starts und Landungen ausfallen. Auch in Düsseldorf wurden laut Plan Flüge annulliert. In Hamburg wurden alle 147 geplanten Abflüge gestrichen oder hoben ohne Passagiere ab. Für Hannover stand ein stark abgespeckter Flugplan online. In Bremen sollten überhaupt keine Flieger starten. Der Hauptstadtflughafen BER war nicht in den Warnstreik einbezogen. Da aber fast alle anderen Flughäfen bestreikt werden, fielen alle innerdeutschen Flüge weg. Auch in Leipzig/Halle und Dresden sind alle innerdeutschen Flüge gestrichen worden.
Erneut wird der Nahverkehr in den Bundesländern bestreikt, die direkt an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst angebunden sind. Das sind Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Gestreikt wird zudem in Bayern, wo ein Tarifvertrag Nahverkehr verhandelt wird.
Es gibt gleich mehrere Tarifkonflikte: Verdi und der Beamtenbund dbb wollen in Potsdam mit dem Bund und den Kommunen heute die Verhandlungen für 2,5 Millionen Beschäftigte wieder aufnehmen. Vor der dritten Runde lagen beide Seiten noch weit auseinander. Bei der EVG stehen weitere Gespräche mit verschiedenen Bahnunternehmen ab Mitte der Woche an. Mit der Deutschen Bahn soll erst nach Ostern weiterverhandelt werden. An Flughäfen sind Kommunalbeschäftigte des öffentlichen Dienstes einbezogen, es geht aber auch um örtliche Verhandlungen für Bodenverkehrsdienste sowie bundesweite Gespräche für die Luftsicherheit.
Werneke forderte die Arbeitgeber zum Entgegenkommen im Tarifstreit um den öffentlichen Dienst auf. „Alle, wirklich alle Mitglieder, die wir heute zum Arbeitskampf aufgerufen haben, beteiligen sich an diesem Streik“, sagte Werneke zum Start der dritten Verhandlungsrunde heute in Potsdam. „Es ist einfach Druck auf dem Kessel, weil die Beschäftigten es leid sind, sich jeden Tag mit warmen Worten abspeisen zu lassen, während die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden und viele Stellen unbesetzt sind.“
Mehr als 400.000 Streikende hätten sich bis Ende vergangener Woche in allen Verdi-Bereichen an den Warnstreiks beteiligt. Dies sei die größte Warnstreik-Beteiligung seit Jahrzehnten, so Werneke. Neben dem öffentlichen Verkehr hatte Verdi auch Kitas, Kliniken, Verwaltungen und viele andere Bereiche bestreikt. Das bringe „eine klare Botschaft mit an den heutigen Verhandlungstisch“: Die Beschäftigten fänden das bisherige Angebot der Arbeitgeber inakzeptabel. Werneke sagte, Verdi wolle in der bis Mittwoch angesetzten Verhandlungsrunde ein Ergebnis erzielen. „Das setzt voraus, dass sich die Arbeitgeber bewegen.“