Als Hansi Flick nach dem zweieinhalbstündigen Krisengipfel in seiner schwarzen Dienstlimousine davon brauste, hatte er Gewissheit.
Der 57-Jährige darf sein Amt als Bundestrainer trotz der krachenden WM-Pleite von Katar behalten – und soll die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der Heim-EM zu neuen Erfolgen führen. Der Verband ließ nach dem mit Spannung erwarteten Treffen von Flick mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf und Vize Hans-Joachim Watzke für die Öffentlichkeit „weißen Rauch“ aufsteigen. Flick werde seinen noch 18 Monate laufenden Vertrag erfüllen – in der Hoffnung auf ein Sommermärchen 2.0.
„Mein Trainerteam und ich blicken optimistisch auf die Europameisterschaft im eigenen Land. Wir als Mannschaft können viel mehr erreichen, als wir in Katar gezeigt haben“, wird Flick in einer DFB-Mitteilung nach den intensiven Gesprächen im Kempinski Hotel Gravenbruch in Neu-Isenburg zitiert. Neuendorf berichtete nach der Runde in der Nobelherberge: „Wir haben volles Vertrauen in Hansi Flick, dass er diese Herausforderung gemeinsam mit seinem Team meistern wird.“
Watzke war am Mittag als erster Beteiligter um 13.57 Uhr bei bewölktem Himmel eingetroffen, Neuendorf folgte um 14.06 Uhr. Flick kam als Letzter der Dreierrunde ganz in Schwarz gekleidet um 14.26 Uhr. Nach der Analyse stand fest: Es geht mit Flick weiter. Um 17 Uhr fuhr er aus der Tiefgarage und davon.
Flick hatte das Amt von Joachim Löw nach der Europameisterschaft 2021 übernommen und nach der bleiernen Spätphase unter seinem früheren Chef eine gewisse Anfangseuphorie entfacht. Er legte mit acht Siegen einen Startrekord hin und führte die Nationalmannschaft souverän zum umstrittenen Turnier in der Wüste. Doch Flick fand nie eine erste Elf für Katar.
Nach dem WM-Fehlstart gegen Japan (1:2) und dem Mutmacher gegen Spanien (1:1) konnte der abschließende Sieg gegen Costa Rica (4:2) das zweite Vorrunden-Aus der DFB-Auswahl bei einer WM nicht mehr verhindern. Flick bekundete jedoch noch in der Nacht des Scheiterns, er wolle seinen Vertrag erfüllen.
Dies hatte ursprünglich auch Oliver Bierhoff vor, Flicks Vertrauter und wichtigster Ansprechpartner beim DFB. Doch der Geschäftsführer verabschiedete sich am Montag nach 18 Jahren vom Verband – eine Trennung, die Flick in einer aufsehenerregenden Erklärung tags darauf betrauerte. Damit trat er Spekulationen los, wonach er aus Wut und Enttäuschung über den Verlust womöglich selbst hinschmeißen könnte. Zumal Flick nicht in der Verhandlungsposition ist, bei der Nachfolgeregelung ein gewichtiges Wort mitzureden. Als Kandidat wird Fredi Bobic gehandelt.
Die Heim-EM aber, betonte Flick, sei „das gemeinsame Projekt“ von Bierhoff und ihm gewesen. Jetzt muss er es alleine angehen – und verloren gegangenes Vertrauen auch in seine Qualitäten als Trainer zurückgewinnen. Flick steht vor einer Mammutaufgabe, viel Zeit hat er nicht – und bis zur EM nur Testspiele, beginnend im März. In bislang 19 Länderspielen unter seiner Regie gab es elf Siege, sechs Unentschieden und zwei Niederlagen (52:17 Tore): Jene gegen Japan bei der WM, dazu eine in der Nations League gegen Außenseiter Ungarn (0:1).
Vor seiner Rückkehr zum DFB, wo er beim WM-Triumph 2014 in Brasilien noch Assistent von Löw und später Sportdirektor war, trainierte Flick den FC Bayern. Dort hatte er sein überaus erfolgreiches Engagement mit insgesamt sieben Titeln wegen großer Differenzen mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic 2021 vorzeitig beendet. Seine Zeit als Bundestrainer geht dagegen weiter.