Luftverschmutzung durch Feinstaub ist in Deutschland laut Daten des Umweltbundesamtes in der Regel kein flächendeckendes Problem – mit einer Ausnahme: zu Neujahr.
„In der ersten Stunde des neuen Jahres beobachten wir regelmäßig die höchsten Feinstaubkonzentrationen eines Jahres“, sagt Ute Dauert vom Umweltbundesamt (UBA). „Hier sind Stundenwerte um die 1000 Mikrogramm pro Kubikmeter nicht selten. Im Vergleich dazu: Im Mittel über ein Jahr betragen die Werte 15 bis 18 Mikrogramm pro Kubikmeter.“
Hauptgrund für die extrem schlechten Luftwerte ist natürlich das traditionelle Silvester-Feuerwerk. Je nach Wetterlage können sich die beim Abfeuern entstandenen Schwebeteilchen sehr lange in der Luft halten und wie eine Dunstglocke über eine Region legen. Das führt dazu, dass die Feinstaubbelastung zu Neujahr auch im Tagesmittel regelmäßig ein gesundheitlich bedenkliches Niveau erreicht. Der Grenzwert liegt hier eigentlich bei 50 Mikrogramm pro Kubikmeter.
Vor allem Kinder, Senioren und Menschen mit Vorerkrankungen wie Asthma leiden unter der Reizung der Atemwege durch Pyrotechnik. „Hier kann es zu erhöhtem Medikamentenbedarf bis zu Krankenhauseinweisung, gerade bei Asthmatikern, kommen“, sagt UBA-Expertin Dauert. Nur in den Corona-Jahren 2021 und 2022 konnten Betroffene zum Jahreswechsel aufatmen: Durch die Böller- und Versammlungsverbote blieben die Feinstaubwerte laut UBA unauffällig. „In diesen Nächten war die Konzentration mit Feinstaub wie an einem durchschnittlichen Tag im Jahr“, sagt Dauert.
Mit der Aufhebung der Pandemie-Maßnahmen wurde in der Nacht zum 1. Januar 2023 aber bereits wieder reichlich Feuerwerk in die Luft geblasen. Die Pyrotechnik-Branche freute sich sogar über einen Rekordumsatz von 180 Millionen Euro. Die darauffolgende Luftverschmutzung hielt sich wetterbedingt dennoch in Grenzen – zumindest im Vergleich zu 2020. Extreme Grenzwertüberschreitungen über längere Zeit traten Anfang 2023 vor allem im Süden Deutschlands und in Berlin auf (siehe Karte unten).
Ein entscheidender Faktor bei der Feinstaubkonzentration: das Wetter. „Eine hohe Feinstaubbelastung wird von stabilen und luftaustauscharmen Wetterlagen begünstigt“, erklärt ntv.de-Meteorologe Paul Heger. Solche Bedingungen herrschen insbesondere in Hochdruckgebieten, wie sie jetzt im Winter typisch sind. Wenn dann auch noch der Himmel klar bleibt und die Luftschichten am Boden stärker abkühlen als die oberen, wird ein Luftaustausch zusätzlich erschwert. Die Folge: Der Raketennebel hält sich besonders hartnäckig und die Feinstaubbelastung bleibt lange hoch.
Glücklicherweise scheint eine solche Situation in diesem Jahr nahezu ausgeschlossen. „Es wird recht wahrscheinlich windig bis stürmisch und teils nass sein. Damit sind längere Dunstglocken sehr unwahrscheinlich“, so Hegers Prognose. Vor allem die Nordwesthälfte Deutschlands muss mit Schauern und kräftigen Böen rechnen. Etwas ruhiger könnte es im Süden werden, wodurch Städte wie München erneut von besonders schlechten Luftwerten betroffen sein könnten.
Nun hinterlassen Feuerwerkskörper aber nicht nur tonnenweise Feinstaub, sondern auch noch jede Menge Dreck. Laut einer Mitteilung des Verbands der kommunalen Unternehmen von 2018 fallen alleine an den Hotspots der fünf größten Städte Deutschlands an Neujahr etwa 200 Tonnen Müll an – und das sei nur ein Bruchteil der Silvesterüberreste. Das meiste werde im Laufe der darauffolgenden Tage im Zuge der regulären Straßenreinigung entfernt.
Neuere Zahlen zu dem Thema finden sich nur auf kommunaler Ebene. Anfang 2023 etwa meldeten mehrere regionale Entsorger erneut ein massives Müllaufkommen zu Neujahr. In Dortmund beispielsweise sammelte die Stadtreinigung laut einer Sprecherin 18 Tonnen Silvestermüll ein – das Dreifache dessen, was man vor Corona gewohnt war. Nicht nur das UBA ruft die Bevölkerung deshalb dazu auf, sich beim Böllerkauf zurückzuhalten oder ganz auf privates Feuerwerk zu verzichten.
Tatsächlich gibt es Anhaltspunkte, dass in diesem Jahr weniger Zündwerk betrieben werden könnte als unmittelbar vor der Pandemie: Laut den Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurden im dritten Quartal 2023 zwar fast genauso viele Feuerwerkskörper importiert wie 2020. Die von Januar bis einschließlich Oktober importierte Menge reicht aber nicht mehr an das Vorkrisen-Niveau heran.
Dazu passt das Ergebnis einer jüngsten Yougov-Umfrage im Auftrag der dpa: Demnach stehen die meisten Menschen in Deutschland der Silvester-Böllerei ablehnend gegenüber und wollen sich in diesem Jahr nicht daran beteiligen. Gut ein Drittel hält rein gar nichts von Böllern und Raketen. Ein Viertel der Befragten würde sogar ein allgemeines Verbot befürworten. Nur eine Minderheit von 14 Prozent zählt zu den eingefleischten Fans, die den Brauch „voll und ganz“ unterstützen.
Zum Start des regulären Feuerwerksverkaufs berichtet ntv-Reporter Bastian Vollmer (Video) dennoch von einem riesigen Andrang vor der Comet-Verkaufshalle in Bremerhaven. „Ich beschreibe mal die Szenerie hier: Stau auf den Zufahrtsstraßen, drinnen an den Kassen Rechnungen über mehrere hundert Euro“, sagt Vollmer, während sich hinter ihm eine Menschenschlange rings um das Gebäude windet. Bis zu zwei Stunden sollen die Wartenden an diesem Tag vor dem Fachhändler angestanden haben.
Das UBA schätzt, dass allein durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern pro Jahr rund 2050 Tonnen Feinstaub freigesetzt werden, der größte Teil davon in der Silvesternacht. Das entspricht knapp einem Prozent der jährlichen Gesamtemissionen, die sonst beispielsweise von Verkehr, Holzheizungen, Landwirtschaft und Industrie verursacht werden.
Dreckige Luft zu atmen ist für alle Menschen schädlich, hebt das UBA hervor. Je kleiner die Partikel sind, desto tiefer gelangen sie in den Atemtrakt, lagern sich in der Lunge ab oder geraten in die Blutbahn. Bei einer dauerhaft hohen Feinstaubbelastung steigt deshalb das Risiko für bestimmte Erkrankungen, die beispielsweise die Atemwege oder das Herz-Kreislaufsystem betreffen. Aber auch das Demenz- und Diabetes-Risiko hängen laut Studienlage mit einer schlechten Luftqualität zusammen.
Immerhin kann sich Deutschland rühmen, seine Feinstaubbelastung in den vergangenen 20 Jahren deutlich gesenkt zu haben. Die von der EU festgelegten Grenzwerte werden nur an einzelnen Tagen überschritten und im Jahresmittel sogar deutlich unterboten. Von einer chronisch hohen Belastung kann hierzulande also keine Rede sein. Doch auch die kurzzeitigen Schadstoff-Spitzen zum ersten Januar sind potenziell umwelt- und gesundheitsschädlich, mahnt das UBA. Und: Sie wären leicht vermeidbar.