Ein Auto fährt in München in einen Demonstrationszug der Gewerkschaft Verdi. Es handelt sich nach ersten Erkenntnissen um einen Anschlag. Der Täter ist ein abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan. Berichten zufolge gibt es Hinweise auf ein islamistisches Motiv. Was zu der Tat bekannt ist.
Was ist passiert?
Nahe dem Münchner Stiglmaierplatz findet eine Demonstration der Gewerkschaft Verdi statt, angemeldet sind 2500 Teilnehmer. Gegen 10:30 Uhr überholt der Fahrer eines Mini Cooper offenbar ein Polizeiauto am Ende des Demonstrationszugs, beschleunigt und fährt gezielt in die Menschengruppe. „Plötzlich herrschte hinter uns Motorenaufheulen, Räder haben durchgedreht, dann hat’s nur noch gescheppert“, sagt ein Augenzeuge der „tz“.
Das Auto erfasst mehrere Menschen. „Ich bin in dem Demonstrationszug mitgegangen und habe gesehen, dass ein Mann unter dem Auto gelegen ist. Dann habe ich versucht, die Tür aufzumachen, die war aber abgesperrt“, berichtet ein Zeuge dem Bayerischen Rundfunk. Die Polizei gibt nach eigenen Angaben einen Schuss auf das Fahrzeug ab.
Der Täter wird festgenommen. Videos in den sozialen Medien sollen die Festnahme zeigen: Umringt von Menschen in Verdi-Warnwesten drücken Polizeibeamte den jungen Mann neben dem Auto auf den Boden. Daneben liegen offenbar Verletzte, die von Polizisten und Teilnehmern der Demonstration versorgt werden.
Am Tatort liegen zudem Gegenstände auf dem Boden, darunter Verdi-Fahnen, eine Brille, Kleidungsstücke und ein Kinderwagen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sagt, es handelt sich „mutmaßlich um einen Anschlag“. Die „Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus“ bei der Generalstaatsanwaltschaft München führt die Ermittlungen.
Was ist über die Opfer bekannt?
28 Menschen sind teils schwer verletzt. Zwei von ihnen schweben in Lebensgefahr, darunter ist nach Informationen der „Bild“-Zeitung auch ein zweijähriges Kind. Mehrere Münchner Krankenhäuser kümmern sich um die Verletzten.
Unter den Verletzten sind laut einer Mitteilung auch mehrere Mitarbeiter der Stadtwerke München, die an der Kundgebung teilgenommen haben. Ihre Verletzungen seien nicht lebensbedrohlich. Andere Beschäftigte stünden unter Schock.
Was wissen wir über den Täter?
Der Täter ist ein 24-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan. Laut Herrmann war er der Polizei bereits wegen Betäubungsmitteldelikten und Ladendiebstählen bekannt. Näheres werde ermittelt. Nach „Spiegel“-Informationen wurde der Täter 2001 in der afghanischen Hauptstadt Kabul geboren. Ende 2016 sei er nach Deutschland gekommen. Sein Asylantrag sei abgelehnt worden, später habe er eine Duldung erhalten, was eine Abschiebung aussetzt.
Herrmann sagt, der Mann sei als Asylbewerber ins Land gekommen, sein Asylantrag sei aber „wohl“ abgelehnt worden. Gleichzeitig sei festgestellt worden, „dass er eben im Moment nicht abgeschoben werden kann und er deshalb sich weiter in unserem Land aufhalten durfte“.
Gemeldet war N. laut „Spiegel“ zuletzt in München. Nach Angaben des Magazins soll er vor der Tat islamistische Posts in sozialen Netzwerken abgesetzt haben. Die Polizei in München geht davon aus, dass die Tat einen „extremistischen Hintergrund“ hat. Gerüchte über weitere Beteiligte bestätigt die Polizei ausdrücklich nicht. Demnach herrscht keine Gefahr mehr für die Bevölkerung.
Gibt es einen Zusammenhang mit der Münchner Sicherheitskonferenz?
Bisher gebe es keine Hinweise darauf, „dass es irgendeinen Zusammenhang mit der Sicherheitskonferenz gibt“, sagt Bayerns Innenminister Herrmann. Am Freitag beginnt in München die Tagung mit internationalen Spitzenpolitikern im Bayerischen Hof unter großen Sicherheitsvorkehrungen. Das Hotel liegt nur wenige Hundert Meter vom Tatort entfernt.
Welche Reaktionen gibt es aus der Politik?
Bundeskanzler Olaf Scholz spricht von einer furchtbaren Tat. Der Täter könne nicht auf „irgendeine Nachsicht“ hoffen, sagt Scholz am Rande eines Termins in Fürth. „Er muss bestraft werden, und er muss das Land verlassen.“
„Das ist ein Schlag ins Gesicht. Wir fühlen mit den Opfern, wir beten für die Opfer“, sagt Bayerns Ministerpräsident Söder am Tatort. „Wir müssen Entschlossenheit zeigen, dass sich etwas ändern muss in Deutschland.“ Man könne nicht von Anschlag zu Anschlag gehen und Betroffenheit zeigen. Münchens Oberbürgermeister Reiter spricht von einem „schwarzen Tag für München“.
Münchens Zweiter Bürgermeister Dominik Krause von den Grünen zeigt sich schockiert. Unter den Verletzten seien viele Beschäftigte der Stadt. „Menschen, die sich täglich darum kümmern, dass unsere Stadt funktioniert – ob in den Kitas oder der Müllabfuhr.“ Nicht wenige Teilnehmer hätten ihre Kinder dabeigehabt. „Das macht die Tat umso abscheulicher“, so Krause.
Der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, schreibt: „Die Sicherheit der Menschen in Deutschland wird für uns an erster Stelle stehen. Wir werden Recht und Ordnung konsequent durchsetzen.“ Jeder müsse sich in Deutschland wieder sicher fühlen. Es müsse sich etwas ändern.
Grünen-Chef Robert Habeck spricht auf X von schrecklichen Nachrichten aus München. „Ich bin entsetzt angesichts dieser sinnlosen Tat.“ Wichtig sei, dass die Hintergründe jetzt schnell aufgeklärt werden. AfD-Chefin Alice Weidel fordert auf X eine „Migrationswende“. Den Opfern und ihren Angehörigen gelte ihre Anteilnahme.
Wie reagiert Verdi?
Der Verdi-Vorsitzende Frank Werneke zeigt sich bestürzt: „Unsere Gedanken sind bei den unschuldigen Opfern und Verletzten sowie ihren Angehörigen. Wir Gewerkschaften stehen für ein solidarisches Miteinander, gerade auch in so einer dunklen Stunde.“ Eine Verdi-Kundgebung in Berlin ist abgesagt. Die Nachricht aus München sei während einer Demonstration vor dem Bundesfinanzministerium gekommen, auf die Abschlusskundgebung wurde daraufhin verzichtet, teilt ein Verdi-Sprecher mit.
Bei einer Kundgebung in Kiel herrscht tiefe Betroffenheit. „Es kommt nicht oft vor, dass gestandene Gewerkschafter mit Tränen in den Augen auf der Bühne stehen“, so ein Verdi-Sprecher. In Stuttgart erhöht die Polizei bei einer Demonstration die Sicherheitsvorkehrungen. Diese laufe aber normal weiter. Derzeit sind Angestellte des öffentlichen Dienstes bundesweit im Streik.