In Leverkusen waren sie öffentlich die ganze Zeit entspannt. Die Aufregung um Trainer Xabi Alonso kochten sie regelmäßig souverän runter.
Doch so recht mochte man abseits des Bayerkreuz dem Braten nicht trauen. Dass der spanische Coach wirklich bei Bayer bleiben würde, über diesen Sommer hinaus, das wirkte längst nicht so in Stein gemeißelt, wie die Bosse vermitteln wollten. Sportlich gab und gibt es freilich wenige Gründe, die Alonso von seinem aktuellen Arbeitgeber wegtreiben würden, dafür aber große Avancen – denen er nun nicht erliegt.
Ein kleines bisschen hatte sich in den vergangenen Tagen angedeutet, was an diesem Freitag offiziell wurde. Der Trainer der Unschlagbaren von Bayer Leverkusen heißt auch in der kommenden Saison Xabi Alonso. Bayerns Ehrenpräsident Uli Hoeneß hatte am Tag zuvor erklärt, dass es für seinen Klub quasi unmöglich sei, den Trainer zu holen. Für die nun verkündete Entscheidung musste auf vertraglichem Wege gar nichts passieren, denn das Arbeitspapier war ohnehin bis 2026 gültig. Aber weil der internationale Trainermarkt seit Wochen in Wallung und den schwersten Eruptionen seit vielen Jahren ausgesetzt ist, waren die Gerüchte immer lauter und immer heißer geworden.
Zwischendurch schien (abseits des Bayerkreuz) klar, dass Alonso entweder zum FC Bayern wechseln würde, wo ein Nachfolger von Thomas Tuchel händeringend gesucht wird, oder aber zum FC Liverpool geht, um dort das emotional und sportlich schwierige Erbe von Jürgen Klopp anzutreten. Bei beiden Klubs hat er große Spuren hinterlassen und ist bis heute ein Mensch, für den die Anhänger schwärmen. Dritter im Bunde (der Ex-Klubs mit großer Liebe) war Real Madrid, weil dort aber der ewige Carlo Ancelotti noch ein bisschen weitermachen möchte, war die Option schnell vom Tisch. Die Königlichen, so heißt es, sind aber eine große Sehnsucht des 42-Jährigen.
Womöglich erfüllt sie sich 2026, dann laufen die Arbeitspapiere von Ancelotti und Alonso aus, das wäre dann ein passendes Match. Aber mit solchen Szenarien will er sich nicht beschäftigen. Eine entsprechende Frage, ob er denn nun ein oder doch noch zwei Jahre bleiben wird, räumte er höflich ab. Alles geklärt, für den Spanier. Und für den Klub, der auf die perfekte Saison zurast. In dieser Saison ging noch kein Spiel verloren, weder in der Liga, noch im Pokal und auch nicht in der Europa League. Das kleine Triple ist möglich. Das gab es in Leverkusen noch nie. Und nun kann Bayer den Weg ohne Störgeräusche weitergehen. Voller Fokus auf den Spielbetrieb.
Von Alonso ist das ein bemerkenswertes Zeichen. Nicht nur, weil er den Verlockungen der Topklubs widersteht, sondern auch, weil er diese Spielzeit wohl kaum toppen kann. Klar, Bayer rückt wieder in die Champions League hoch und damit auf die größte Bühne im europäischen Fußball. Alonso kann dann seine Qualitäten auch auf dem höchsten Niveau nachweisen und sich mit den Teams der potenziellen Arbeitgeber der Zukunft messen – und sie womöglich ärgern. Wie er es national mit Ex-Klub FC Bayern tut, die nun bei der Trainersuche noch stärker unter Druck geraten. Ralf Rangnick taucht plötzlich als Topkandidat ab.
Auch für seine Bayer-Spieler, von denen zahlreiche unter ihm noch einmal deutliche Leistungssprünge machten, dürfte die Entscheidung wertvoll sein. Gleich acht Fußballer führte der spanische Supercoach in dieser Saison erstmals in den Kader ihrer Nationalmannschaften. So auch den schon 28 Jahre alten Spanier Alejandro Grimaldo oder den sogar noch ein Jahr älteren Robert Andrich, der sich zur bissigen Topoption an der Seite von Rückkehrer Toni Kroos gemausert hat. „Die Spieler selbst haben mir so viele Gründe geliefert. Die Entwicklung des Teams verläuft parallel zu der von mir als Trainer“, befand Alonso voller Dankbarkeit.
Im Titelkampf hat der Tabellenführer mit diesem Tag wieder Ruhe in die eigenen Reihen bekommen, während der punktemäßig abgehängte Verfolger weiter Nebenschauplätze hat, die mindestens mal die Planungen für die kommende Saison erschweren. So hatte der neue Sportboss Max Eberl angedeutet, dass Kaderfragen natürlich von der Trainerentscheidung abhängig sind. Er wünscht sich, im April Klarheit zu bekommen. Ohne sich treiben zu lassen. Der Rekordmeister sehnt sich nach (zu) vielen Rotationen auf der Trainerposition nach Stabilität.
Aber Alonso geht mit seinem Bekenntnis auch einen kleinen Weg des Risikos. Viele Spieler haben sich in dieser Saison ins Schaufenster gestellt. Nationalspieler Florian Wirtz etwa, der aber laut seines Vaters und Beraters bleiben wird, Jeremie Frimpong, Viktor Boniface oder aber der überragende Alejandro Grimaldo. Sie sind nicht die einzigen. Wer alles bleiben wird? Unklar. Ebenso, ob Leverkusen noch einmal so ein sensationeller Transfersommer gelingen kann, als jede große Entscheidung ein Volltreffer war, mit eben Boniface, Grimaldo oder auch Granit Xhaka, der das Mittelfeld mit Robustheit, Spielintelligenz und Mentalität beherrscht.
Aber was wäre die Alternative gewesen? In das unruhige Fahrwasser in München zu geraten, um dort womöglich auch schnell verschlissen zu werden, wie seine prominenten Vorgänger Julian Nagelsmann und Tuchel. Oder aber in Liverpool in die gigantischen Fußstapfen von Klopp zu treten, der mit seiner Art, seinen Erfolgen und seinem Fußball zu einem Klubheiligen geworden ist? Alonso hat alles richtig gemacht, zum perfekten Zeitpunkt.