Taktisch brillant und mit brachialer Wucht – Pep Guardiola und Manchester City sind nach einer echten Machtdemonstration der Erlösung in der Champions League ganz nah.
Die von Kapitän İlkay Gündoğan angetriebenen Skyblues raubten im Gigantenduell dem Rekordchampion Real Madrid die Luft, buchten mit dem 4:0 (2:0)-Erfolg ihr Endspielticket und wollen in Istanbul endlich den „Henkelpott“ in den Händen halten.
Schwer enttäuscht war dagegen Reals Mittelfeldstratege Toni Kroos. „Was mich stört, sind die ersten 20, 25 Minuten. Die haben uns das Spiel verloren“, sagte Kroos bei DAZN und sprach von einem verdienten Ausscheiden: „Es ist logischerweise nicht so, dass wir nicht wollten. Sie waren schwer zu greifen. Wir waren oft ein, zwei Meter weg und sind nicht richtig in die Zweikämpfe gekommen.“
Bernardo Silva (23., 37.), ein Eigentor von Eder Militao, das die UEFA dennoch Citys Manuel Akanji zuschrieb (76.) und Julian Alvarez (90.+1) befeuerten die Triple-Hoffnungen der Citizens, das Hinspiel war 1:1 ausgegangen. Manchester wird am 10. Juni im Atatürk-Olympiastadion als Favorit gegen Inter Mailand auflaufen. Die Nerazzurri hatten bei ihren Halbfinal-Siegen im „Euroderby“ gegen den Lokalrivalen AC (2:0, 1:0) aber ebenfalls überzeugt und könnten erstmals seit 13 Jahren den Titel in der Königsklasse gewinnen.
City ist trotz gigantischer Investitionen bislang einzig der Finaleinzug 2021 gelungen, vor zwei Jahren verlor Guardiolas Team gegen den FC Chelsea um den heutigen Bayern-Trainer Thomas Tuchel. Umso größer ist der Wille, es diesmal zu schaffen und auch Guardiolas lange Durststrecke zu beenden. Seit 2011 – damals noch in Diensten des FC Barcelona – wartet der Katalane auf seinen dritten Champions-League-Titel.
„Real und Manchester sind aktuell die beiden besten Mannschaften in Europa“, hatte Reals Coach Carlo Ancelotti im Vorfeld der Partie im Etihad Stadium gesagt – nicht nur der Italiener sah das Aufeinandertreffen der beiden Branchenriesen als vorweggenommenes Finale. Für Ancelotti war es auch persönlich ein besonderes Match: Er stand zum 191. Mal in der Champions League an der Seitenlinie und ist damit der Trainer mit den meisten Partien in der Geschichte des Wettbewerbs vor Alex Ferguson (190).
Die ersten Minuten in Manchester dürften dabei zu den stressreichsten für den sonst so coolen Ancelotti gezählt haben. City war gegen die tief stehenden und viel zu passiven Gäste hochdominant. Rodri (7.) und immer wieder Erling Haaland (7., 13., 21.) ließen beste Chancen aus. Real, mit Toni Kroos im defensiven Mittelfeld, wurde zunächst allein vom glänzenden Torhüter Thibaut Courtois im Spiel gehalten, der Zwei-Meter-Mann aus Belgien rettete artistisch zweimal gegen Haaland. Guardiola konnte es kaum fassen, jubelte dann aber doch.
Beim Schuss des völlig ungedeckten und perfekt von Kevin De Bruyne bedienten Silva aus rund zwölf Metern war aber auch Courtois machtlos. Die Abwehr um Militão, der nach seiner Gelbsperre im Hinspiel für Rüdiger in die Anfangsformation gerückt war, ließ sie gewähren. In der 35. Spielminute setzte Kroos dann mit einem fulminanten Fernschuss an die Latte das erste Ausrufezeichen aus Real-Sicht. Auf der Gegenseite landete der Ball wenig später schon wieder im Tor. Diesmal war Gündogan mitbeteiligt, sein Schuss wurde abgewehrt, der Abpraller landete bei Silva. Tor Nummer zwei des 28 Jahre alten Portugiesen.
Der spanische Meister kam mit verbesserter Körpersprache aus der Halbzeitpause, doch City blieb stets gefährlich. Immer wieder suchte Gündoğan, der auch 2013 mit Borussia Dortmund schon im Finale gestanden hatte, den Weg in Richtung Strafraum, den ab der 63. Spielminute auch Rüdiger verteidigte. Real kämpfte verbissen um den Anschlusstreffer – doch die Offensivkünstler aus Manchester, die im Viertelfinale Bayern München ausgeschaltet hatten, bewiesen, dass sie auch mit großer Leidenschaft verteidigen können.