Kommunalpolitiker von der Insel Rügen haben in einem gemeinsamen Schreiben an Landes- und Bundesregierung die Nutzung der umstrittenen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 vorgeschlagen.
Der Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, ist von sieben Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen unterschrieben. Wie der Sassnitzer Bürgermeister Frank Kracht (parteilos) am Mittwoch der dpa mitteilte, hätten nachträglich noch Vertreter weiterer Gemeinden das Schreiben unterzeichnet.
Es gehe nicht darum, Nord Stream 2 „auf Krampf“ zu aktivieren. Vielmehr gehe es um dauerhafte Energiesicherheit, betonte Kracht. Wenn es technische Schwierigkeiten gebe, diese etwa über die Pipeline Nord Stream 1 zu gewährleisten, müsse man neue Wege finden. Nord Stream 2 sei dabei eine Möglichkeit.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte vor einer Woche erneut die Pipeline Nord Stream 2 ins Spiel gebracht. Diese könne in Betrieb genommen werden, sagte er im Zusammenhang mit den gedrosselten Lieferungen durch Nord Stream 1. Die Bundesregierung lehnt eine solche Inbetriebnahme ab.
Nord Stream 2 ist nicht genehmigt, ein Zertifizierungsverfahren war im Februar angesichts der russischen Eskalation im Ukraine-Konflikt gestoppt worden. Wenige Tage später marschierten russische Truppen in die Ukraine ein. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Dienstag, der Kreml wolle über den hohen Gaspreis die Solidarität in Europa aufbrechen und auf eine Genehmigung von Nord Stream 2 hinwirken.
Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine heißt es in dem Schreiben der Bürgermeister, man verurteile „auf das Schärfste dieses Kriegsgeschehen“. Dennoch gelte es abzuwägen, wie groß die Schäden für die Bevölkerung und die Wirtschaft in der eigenen Region werden könnten. Das Schreiben ging Kracht zufolge unter anderem an die Schweriner Staatskanzlei sowie an Bundeswirtschaftsminister Habeck.
Die Landesregierung habe den Brief der Bürgermeister von Rügen zur Kenntnis genommen, sagte Regierungssprecher Andreas Timm auf Anfrage. Die darin zu Nord Stream 2 aufgeworfene Frage stelle sich aber nicht. „Die Bundesregierung hat Ende Februar die Zertifizierung und damit die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 gestoppt. Die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern hat diese Entscheidung unterstützt. Wir alle wünschen uns, dass es Frieden gibt. Aber der brutale Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine dauert leider weiter an“, konstatierte Timm. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte die Fertigstellung der Pipeline massiv unterstützt, war nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine aber auf Distanz zu dem Projekt gegangen.
Die politischen Entscheidungen in Deutschland werden von den Initiatoren des Briefes in Zweifel gezogen. „Wir sind der Meinung, dass der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg, sich von den Energieträgern Russlands zu trennen, nicht der Richtige ist“, heißt es. Um die Energiesicherheit, insbesondere die Versorgung mit Gas, ausreichend zu gewährleisten, empfehle man zusätzlich zu Nord Stream 1 die Nutzung von Nord Stream 2. In dem Papier ist die Rede von Sorgen angesichts der Planungen der Bundesregierungen zur Gasversorgung und der dafür notwendigen Infrastruktur. Derzeit geplante Alternativen gingen mit enormem Kosten- und Zeitaufwand einher. Der geplante Ausbau der Windkraft wird kritisiert.
Neben Krachts Unterschrift trägt das Schreiben von Mitte Juli die Unterschriften sechs weiterer Verwaltungsoberhäupter, darunter etwa von Anja Ratzke (Bergen, parteilos) oder Reinhard Liedtke (Sellin, parteilos).