Auch in Mecklenburg-Vorpommern zeigen sich nach Erhebungen der Barmer-Krankenkasse bei immer mehr Kindern Defizite beim Spracherwerb, oft mit Folgen für das spätere Lernen. Zudem würden immer häufiger auch Probleme bei der Bewegungskoordination festgestellt.
Wie die Barmer am Montag in Schwerin unter Berufung auf den sogenannten Kinderatlas der Ersatzkasse berichtete, wurde im Jahr 2021 bei 13,5 Prozent der Kinder im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren eine Entwicklungsstörung beim Sprechen diagnostiziert. Damit seien im Nordosten etwa 13 500 der Mädchen und Jungen in dieser Altersgruppe betroffen. Im Jahr 2006 sei die Anzahl mit 6100 nur halb so groß gewesen.
„Störungen beim Spracherwerb gehören mit zu den häufigsten Diagnosen bei Heranwachsenden“, konstatierte Henning Kutzbach, Landesgeschäftsführer der Barmer in Mecklenburg-Vorpommern. Ein begrenztes Vokabular, Schwierigkeiten bei der Satzbildung oder Probleme bei der Lautbildung führten häufig dazu, dass Kinder dann auch Schwierigkeiten hätten, Lesen und Schreiben zu lernen oder in Kontakt zu anderen Menschen zu kommen.
Kutzbach appellierte an die Eltern, schon sehr frühzeitig und regelmäßig mit dem Nachwuchs zu sprechen – und sie nicht nur mit Hilfe etwa von Videos zu beschäftigen. „Kinder erlernen Sprache durch Nachahmen. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern viel mit ihrem Kind kommunizieren und Medienkonsum begrenzen“, betonte Kutzbach.
Auch das gemeinsame Spielen sei für die Entwicklung der Kinder enorm wichtig. Dabei würden wichtige Bewegungen erlernt und trainiert. Dem Kinderatlas zufolge hat sich nach Angaben Kutzbachs seit 2006 auch die Zahl der Kinder mehr als verdoppelt, bei denen motorische Entwicklungsstörungen festgestellt wurden – von 1800 auf 3800.
„Viele Kinder können heute weder Hampelmann noch Purzelbaum. Dabei sind gut entwickelte motorisch-koordinative Fähigkeiten wichtig für Schule und Alltag“, mahnte Kutzbach. Er ermunterte Eltern, auch das Gespräch mit dem Kinderarzt zu suchen, sollten sie feststellen, dass ihre Sprösslinge schlecht das Gleichgewicht halten könnten oder im Vergleich zu Gleichaltrigen etwas tollpatschig wirkten.
Inwieweit die Corona-Pandemie die Defizite beim Spracherwerb und der motorischen Koordination noch verstärkt hat, könne noch nicht abgeschätzt werden. „Wir sehen in den Daten einen kontinuierlichen Aufwärtstrend bei den umschriebenen Entwicklungsstörungen. Allerdings ist bisher kein überproportionaler Anstieg in Zeiten der Lockdowns auszumachen“, sagte Kutzbach.
Die Barmer zählt mit etwa 268 000 Versicherten zu den größten Krankenkassen in Mecklenburg-Vorpommern. Etwa jeder sechste Einwohner des Landes ist dort versichert. Den Angaben zufolge wurden für den Kinderatlas anonymisierte Abrechnungsdaten aus Arztpraxen für Barmer-Versicherte ausgewertet und auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet. Inwieweit die Folgen der Migration bei der Sprachentwicklung Berücksichtigung fanden, wurde nicht mitgeteilt.