Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und dessen weitreichenden Folgen erfordern nach Ansicht von Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) ein Umdenken auch in Agrar- und Ernährungswirtschaft.
„Eine Versorgung überwiegend aus regionalen Wirtschaftskreisläufen – und das weltweit – könnte Regionen in Krisensituationen weniger krisenanfällig machen und durch lokale Wertschöpfung auch Kleinst-, kleine und mittlere Wirtschaftsbetriebe vor Ort stärken“, sagte Backhaus am Donnerstag anlässlich des 5. Norddeutschen Ernährungsgipfels in Rostock-Warnemünde. Dass damit auch die Exportchancen deutscher Produkte geschmälert würden, dazu sagte der Minister nichts.
Die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe sei ein langfristiger Prozess. Aktuell gehe es darum, Unternehmen und Verbrauchern zu helfen, die Steigerung der Energie- und Lebensmittelpreise zu bewältigen. „Noch vor wenigen Monaten hätte sich kaum jemand vorstellen können, dass Menschen in Deutschland einmal vor der Frage stehen würden, ob sie essen oder lieber heizen wollen“, machte Backhaus den Ernst der Lage deutlich.
Trotz der Corona-Krise könne die Ernährungswirtschaft des Landes auf ein gutes Jahr zurückblicken. Die Umsätze seien 2021 im Vergleich zum Jahr davor um 13,2 Prozent gestiegen. Die Branche beschäftige mehr Mitarbeiter und die Exportquote sei auf zuvor nie erreichte 20,9 Prozent gestiegen. Doch verwies Backhaus darauf, dass die hohen Umsatzzahlen vor allem Resultat enormer Preiserhöhungen bei Lebensmitteln seien.
„Wir erleben gerade, dass der Konsument sehr sensibel auf diese Preiserhöhungen reagiert: Markenprodukte, aber auch der Bio-Bereich verzeichnen Umsatzrückgänge“, konstatierte der Minister. Discounter seien die Gewinner. Für Produzenten hochwertiger Spezialitäten seien das keine guten Nachrichten. „Auf Dauer muss man den Menschen klarmachen, dass nicht die nächste Urlaubsreise oder der neueste technische Schnickschnack für sie wichtig ist, sondern sie auf die Wichtigkeit einer Erzeugung vor Ort achten sollten, vor allem auch im Hinblick auf Ressourcenschonung und zur Verdichtung regionaler Kreisläufe“, erklärte Backhaus.
Bereits vor Beginn des Ernährungsgipfels hatte der Landes-Agrarmarketingverein (AMV) als Veranstalter deutlich gemacht, dass die Nahrungsmittelwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern mit Sorge in die Zukunft blickt. Die aktuelle Lage sei für die Mehrheit der Betriebe insbesondere wegen der hohen Energie- und Rohstoffpreise „überaus unbefriedigend“, konstatierte der AMV-Vorsitzende Tobias Blömer. In einer kürzlich durchgeführten Umfrage hätten die Unternehmen im Nordosten ihre Situation im Energiebereich als alarmierend bezeichnet.
Nach Angaben Blömers ist die Ernährungsgüterwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern die umsatzstärkste Branche innerhalb des verarbeitenden Gewerbes. Der Umsatz der Betriebe mit 20 und mehr Mitarbeitern habe 2020 rund 4,2 Milliarden Euro erreicht und sei damit doppelt so hoch gewesen wie der des Maschinenbaus. Mit 18.000 Beschäftigten sei jeder vierte Industriebeschäftigte im Land im Ernährungsgewerbe tätig.