SPD-Chef Lars Klingbeil hat Olaf Scholz nach gemeinsamen Recherchen von t-online und dem „Tagesspiegel“ wiederholt nahegelegt, auf eine erneute Kanzlerkandidatur zu verzichten. Nach übereinstimmenden Angaben mehrerer Quellen innerhalb der SPD und in deren Umfeld wurde Klingbeil deshalb mindestens zwei Mal bei Scholz vorstellig.
Klingbeil trug damit den Bedenken der engeren SPD-Führung sowie mächtiger SPD-Landesverbände Rechnung, die nach dem Bruch der Ampel-Koalition im November 2024 angesichts schlechter Umfragewerte des Kanzlers intern für eine Kandidatur von Verteidigungsminister Boris Pistorius als beliebtestem deutschen Politiker plädierten.
Scholz hielt an Anspruch fest
Nach Informationen von t-online und dem „Tagesspiegel“ aus der SPD-Führung waren damals neben Klingbeil auch dessen Co-Vorsitzende Saskia Esken sowie SPD-Generalsekretär Matthias Miersch zu der Überzeugung gelangt, dass mit Scholz als Kanzlerkandidat die vorgezogene Bundestagswahl kaum zu gewinnen sei. Scholz beharrte in den Gesprächen mit dem SPD-Vorsitzenden jedoch auf seinen Anspruch. Klingbeil war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Eine Sprecherin verwies auf Termingründe.
Nach dem Bruch der Ampel-Koalition am 6. November 2024 hatte die SPD-Führung darauf verzichtet, Scholz sogleich zum Kanzlerkandidaten auszurufen. Daraufhin kam es zu einer tagelangen, teils öffentlichen Debatte über die Eignung von Scholz. Mehrere SPD-Politiker sprachen sich damals direkt oder indirekt für Pistorius als Kanzlerkandidaten aus.
Der Kanzleramtsminister und Scholz-Vertraute Wolfgang Schmidt soll sich in dieser Phase im Kanzleramt höchst verärgert über die SPD-Führung gezeigt haben, wie Kanzleramtsmitarbeiter gegenüber dem „Tagesspiegel“ berichteten. Im Amt wurde damals auch kolportiert, Schmidt wolle einen Wahlkampf mit Pistorius an der Spitze der SPD aus dem Amt heraus behindern. Schmidt selbst wies die Darstellung als „hanebüchenen Unsinn“ zurück.