Nach der Einigung auf einen Termin für Vertrauensfrage und Neuwahl ist für die Union der Weg frei für eine punktuelle Zusammenarbeit mit SPD und Grünen. Führende Unionspolitiker haben mittlerweile signalisiert, welchen Gesetzen die Unionsfraktion zustimmen könnte.
Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Thorsten Frei, nannte die geplanten Gesetze zur Stärkung des Bundesverfassungsgerichts und zur Verlängerung der Telefonüberwachung. Letzteres erlaubt Ermittlern bei Einbruchdiebstahl eine erweiterte Überwachung von Telefongesprächen und anderer Telekommunikation. Außerdem sei die Union gewillt, die Bundestagsmandate für vier Auslandseinsätze der Bundeswehr zu verlängern, so der CDU-Politiker. Bei Rente, Steuer und Ukraine soll es dagegen keine Schützenhilfe für die rot-grüne Minderheitsregierung geben.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt äußerte sich übereinstimmend. Die Union erarbeite außerdem eine „Positivliste“ mit zeitkritischen Projekten, die noch vor der Wahl ins Parlament eingebracht werden müssten. Dazu zählte er einen „Comeback-Plan für die Wirtschaft“, der das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Deutschland festigen solle. Auch die Migrationsfrage dulde keinen weiteren Aufschub. Zudem müsse die innere Sicherheit gestärkt werden.
Die Union werde auch vorliegende Beschaffungsvorlagen für die Bundeswehr mittragen, ergänzte der CSU-Landesgruppenchef. Zu den Ukraine-Hilfen sagte Dobrindt, es seien derzeit keine zusätzlichen Mittel notwendig. Sollte sich dies anders darstellen, sei man aber bereit, über solche Fragen zu reden. Es gehe angesichts der Lage in der Ukraine aktuell eher um Waffenlieferungen.
Frei sieht ebenfalls keine Notwendigkeit für neue Finanzierungsbeschlüsse für die Ukraine. Im Haushaltsentwurf für 2025 seien vier Milliarden Euro für bilaterale Militärhilfe vorgesehen, sagte er. Da diese seines Wissens nach bereits weitgehend gebunden seien, könnten sie auch ausgegeben werden. Da die vier Milliarden Euro für das ganze Jahr 2025 eingeplant seien, dürften diese Mittel für die ersten zwei Monate ausreichen, fügte Frei mit Blick auf die vorgesehene Neuwahl Anfang 2025 hinzu. „Und dann sieht man weiter. Ich sehe nicht die Notwendigkeit, dass man jetzt sozusagen zu Zeiten einer Minderheitsregierung noch weitreichende Finanzierungsentscheidungen in diesem Bereich treffen müsste.“
Wegen des Bruchs der Ampel-Koalition kann der Haushalt 2025 wahrscheinlich nicht mehr verabschiedet werden. Stattdessen setzt eine sogenannte vorläufige Haushaltsführung ein.
Auch beim sogenannten Rentenpaket II sieht die Union keine Chance für eine Zusammenarbeit. Damit wollte die Bundesregierung ein höheres Rentenniveau festlegen. „Das hat die Koalition nicht hingekriegt mit ihrer eigenen Mehrheit“, sagte Frei. Die Union werde dafür nicht als Mehrheitsbeschafferin einspringen.
Auch beim sogenannten Steuerentwicklungsgesetz, das eine steuerliche Entlastung von der kalten Progression bringen soll, will die Union demnach vor der Neuwahl nicht mitmachen. Frei und Dobrindt sagten, eine solche Entlastung könne auch ein neu gewählter Bundestag im kommenden Jahr mit rückwirkender Geltung zum 1. Januar verabschieden.
Auch die in der EU vereinbarten GEAS-Reformen möchte die Union nicht vor der Bundestagswahl umsetzen. GEAS steht für Gemeinsames Europäischen Asylsystem – das wurde dieses Jahr beschlossen und muss nun in nationales Recht gegossen werden. Es sieht unter anderem Asylverfahren an den Außengrenzen der EU und einen Verteilerschlüssel für anerkannte Asylempfänger in Europa vor.
Die SPD-Fraktion rief die Union nach der Verständigung auf den 23. Februar als Termin für Neuwahlen sogleich zur Zusammenarbeit auf. Neben dem Bundesverfassungsgericht gehe es auch um langfristige Zukunftsprojekte für mehr soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit im Land, sagte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr warb für die Verabschiedung des Steuerentwicklungsgesetzes, trotz geplatzter Koalition. Die geplante Steuerentlastung sei „zum Stoppen gekommen aufgrund der Entscheidung des Bundeskanzlers“, kritisierte der FDP-Politiker im ntv Frühstart. Zumindest für die Ampel-Großprojekte zu Rente und Steuern inklusive kalter Progression schloss Frei eine Zusammenarbeit zwischen Union, SPD und Grünen jedoch aus.