Angesichts des sich abzeichnenden Juristenmangels in Mecklenburg-Vorpommern fordert die Opposition die dringende Schaffung zusätzlicher Jura-Studienplätze. Alle Oppositionsfraktionen im Landtag fordern dazu die Wiedereinführung der Volljuristen-Ausbildung an der Universität Rostock. Sie war seit 2008 ausgelaufen.
„Die Kapazitäten der juristischen Fakultät in Greifswald sind erschöpft“, stellte der rechtspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Paul-Joachim Timm, fest. Der FDP-Fraktionsvorsitzende René Domke erklärte: „Wir Freie Demokraten sehen es als zwingend erforderlich an, die Zahl der Studierenden der Rechtswissenschaften in Mecklenburg-Vorpommern zu steigern und insbesondere den Studiengang Rechtswissenschaften mit Abschluss Erstes juristisches Staatsexamen in Rostock wiedereinzuführen.“
Die Vorsitzende der Grünen im Landtag, Constanze Oehlrich, sprach sich ebenfalls dafür aus. Sie warf Justizministerin Jacqueline Bernhardt (Linke) vor, es versäumt zu haben, auf den sich abzeichnenden Mangel angemessen zu reagieren. Der CDU-Politiker Sebastian Ehlers erklärte: „Die Juristenausbildung ließe sich in Rostock mühelos wieder hochfahren, dies scheitert aber seit Jahren am hartnäckigen Widerstand der SPD.“
Laut Justizministerium würde die Rückkehr zur Volljuristen-Ausbildung in Rostock fünf zusätzliche Stellen erfordern und jährlich 2,1 Millionen Euro kosten. Aktuell kann an der juristischen Fakultät in Rostock lediglich ein Bachelor- und ein Master-Studiengang „Good Governance“ belegt werden. Mit diesem Abschluss kann man aber nicht Richter, Staatsanwalt, Rechtsanwalt oder Notar werden. AfD-Mann Timm mahnte: „Die Schaffung von fünf weiteren Stellen im öffentlichen Recht und Strafrecht für den Status einer Vollfakultät sollte für das rote Wissenschaftsministerium oberste Priorität haben.“
Dirk Stamer als hochschulpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion bleibt jedoch beim Nein seiner Partei zum Thema Volljuristen-Ausbildung in Rostock. Dieser Schritt würde bei der Neubesetzung von Landesstellen in den nächsten zehn Jahren nur bedingt helfen, dafür aber erhebliche Mehrkosten verursachen, erklärte er. „Die Maßnahmen, die das Land bereits ergriffen hat, sind zudem deutlich zielführender. Lehr- und Lernbedingungen so zu verbessern, dass mehr Studierende zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden, ist der richtige Weg.“
Bundesweit hören viele Jura-Studenten nach einigen Semestern wieder auf, weil das Studium sehr anspruchsvoll ist. Der CDU-Politiker Ehlers warnte davor, das Niveau des Studiums abzusenken oder bei den Prüfungen beide Augen zuzudrücken, um mehr Absolventen zu bekommen. „Das ist der falsche Weg.“
Das Wissenschaftsministerium teilte mit, dass 2023 an der juristischen Fakultät in Greifswald drei zusätzliche Mitarbeiterstellen eingerichtet worden seien. So sollen mehr Studierende zum Erfolg geführt werden. Außerdem sei der Studienplan in wichtigen Punkten mit dem Ziel überarbeitet worden, das Studium attraktiver zu gestalten. Richter würden in die Lehre einbezogen, um den Studierenden den juristischen Alltag näherzubringen.
Die Wirtschaft weist darauf hin, dass nicht nur beim Land Juristen absehbar fehlen. Nicole Vogelsang, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der IHK zu Rostock, sagte: „Bereits jetzt gibt es in der Fläche kaum noch Anwälte.“ Der Pool geeigneter Kandidaten als Nachwuchs in der Rechtsanwaltschaft, den Verwaltungen, den Verbänden und insbesondere in der Unternehmerschaft sei schwindend gering. „Die daraus resultierenden negativen Konsequenzen für die Wirtschaft sind verheerend.“ Die IHK zu Rostock weise schon seit vielen Jahren auf diese besorgniserregende Entwicklung im Justizbereich hin.