Auf den Fanmeilen und in der Straßenbahn sind sie nicht zu übersehen, selbst Tiktok ist voll davon: Mit seinen Deutschland-Trikots, die Check24 millionenfach verschenkt hat, ist dem Vergleichsportal schon jetzt der größte Marketing-Coup der Europameisterschaft geglückt. Marke und Trikot sind derzeit Gesprächsthema; zahlreiche Memes kursieren rund um das Shirt; junge Frauen berichten in Videos, mit welchen Outfits sie das Trikot kombinieren. „Das hat mich sehr gefreut und ich musste lächeln“, sagt Check24-Gründer Henrich Blase im Gespräch über die Wirkung seiner Aktion. Auf einen Erfolg in den sozialen Medien habe man zwar gehofft, aber mit diesem Ausmaß hätte keiner gerechnet.
Der öffentlichkeitsscheue Firmenlenker hat mit Finance Forward erstmals über die Kampagne gesprochen, bei der es sich um die „größte Marketingaktion in der Geschichte von Check24“ handeln soll. Das will etwas heißen für ein Digitalunternehmen, das seit Jahren Abermillionen Euro in Fernsehwerbung pumpt und Fußball-Sendungen sponsert. Doch mit der Trikot-Aktion stößt Blase in neue Dimensionen vor: Ende der Woche wird Check24 rund fünf Millionen Shirts verschickt haben. Ein handfester Effekt: Die App des Vergleichsportals steht seit Wochen regelmäßig an der Spitze der Appstore-Charts.
Erdacht hat Blase die Aktion gemeinsam mit seinem Mitgründer Eckard Juls, die Entscheidung dafür sei schon im vergangenen Herbst gefallen. Beide haben das Unternehmen gegründet und aufgebaut, sie halten nach 25 Jahren immer noch alle Fäden in der Hand. Ihnen gehört auch bis heute ein Großteil der Anteile an der Firma, größere Investoren gibt es nicht. Dabei ist das Vergleichsportal, das einst im Versicherungsgeschäft startete, in den vergangenen Jahren stark gewachsen – und gehört im Reise- und Mobilfunk-Markt zu den großen Spielern. Öffentliche Geschäftszahlen gibt es so gut wie keine, doch klar ist: Die Firma zählt zu den mächtigsten Digitalanbietern hierzulande. Und sichtbar ist, wie sie sich in immer neue Branchen vorwagt.
Mit der Marketing-Aktion nehmen sich Blase und Juls nun den Fußballmarkt vor. Im Nachgang zu dem EM-Tippspiel, das mit der Trikot-Aktion verbunden ist, soll es künftig auch ein regelmäßiges Bundesliga-Tippspiel sowie einen Streaming-Vergleich auf dem Portal geben. „Da kann man beispielsweise sehen, wo man die ganzen Fußballspiele oder Highlights schauen kann“, so Blase. Es hat dafür eine eigene Gesellschaft gegründet, wie die „Wirtschaftswoche“ bereits entdeckt hat.
In einem Jahr mit einer Europameisterschaft im eigenen Land, die noch dazu als „EM 24“ Ähnlichkeiten zur eigenen Marke aufweise, wollte Check24 stark auffallen. Die Aktion mit einem kostenlosen Trikot habe man ausgeheckt, um einen „Extra-Booster“ zu bekommen, so Blase. Ähnliche Aktionen habe es von anderen Unternehmen schon gegeben, „aber es war nicht die Qualität von einem Hersteller wie Puma“. Im Frühjahr habe das Unternehmen dann die Produktion in Werken in der Türkei und China angeschoben.
Die ursprünglichen Ziele seien indes deutlich konservativer gewesen. „Alles über eine Million wäre ein Erfolg gewesen, 1,5 Millionen hatten wir geordert“, so der Gründer. Seit Mai habe das Unternehmen dann wegen der hohen Nachfrage begonnen aufzustocken – bis auf fünf Millionen, die nun bis Ende dieser Woche ausgeliefert werden sollen. Ein Kraftakt für das ganze Team, zwischenzeitlich verschickte das Unternehmen 400.000 Trikots pro Tag. Inzwischen ist die Aktion gestoppt – und auf Ebay werden die Trikots bereits für Beträge zwischen 15 und 85 Euro angeboten.
Doch was ist die Idee dahinter? Der Gründer betont: „Wir haben in keiner Excel-Tabelle ausgerechnet, wie viel uns ein neuer Kunde kostet – es ist für uns ein langfristiges Investment in die Marke Check24.“ Trotzdem ist die Marketing-Aktion so aufgebaut, um möglichst viele Neukunden in den Kosmos des Vergleichsportals zu locken.
So muss man für das Trikot auch die App der Firma herunterladen. Auf die legt Vergleichsportal schon seit Jahren den Entwicklungsfokus. An jedem Spieltag gibt es unzählige Gewinner in dem EM-Tippspiel, an die das Unternehmen vor allem Reisegutscheine ausgibt. Der Gesamtsieger erhält einen Gutschein in Höhe von 240.000 Euro, der Wert aller Gutscheine soll bei 24 Mio. Euro liegen. Es ist ein Weg, die Kunden dazu zu bringen, Check24 das erste Mal zu verwenden.
Das Tippspiel soll außerdem dafür sorgen, dass die Trikotbesitzer weiter regelmäßig die App aufrufen. „Es muss einen echten Nutzen geben, dann kommen die Leute auch“, sagt Blase. In der App kann zudem jeder Nutzer die Spiele kommentieren – so will Check24 eine aktive Fußball-Community aufbauen.
Von den fünf Millionen Menschen, die sich für die App angemeldet haben, um das Trikot zu erhalten, wird am Ende wohl nur ein Bruchteil nach dem Turnier wiederkehren. Aber Check24 wird versuchen, möglichst viele davon im Kosmos zu halten – wie die Gutschein-Aktion zeigt. Verbraucherschützer kritisieren bereits, dass man für das Trikot mit seinen Daten bezahlt. Doch dieser Deal dürfte vielen bewusst sein.
Für Check24 ist die Trikot-Aktion unterdessen auch ein Weg, sich zu verjüngen – eigentlich ist der typische Nutzer eher älter als 30 Jahre. Das sei mit der Trikot-Aktion gelungen, sagt Blase. „Die werden jetzt nicht gleich eine Versicherung bei Check24 kaufen, aber vielleicht eine Reise buchen oder sich einen neuen Handyvertrag suchen.“
Ein Erfolg, den sich Check24 einiges hat kosten lassen. Wie viel genau, verrät Blase nicht. Aber man kann nachrechnen: Beim offiziellen DFB-Trikot von Adidas sollen sich die reinen Herstellungskosten laut Recherchen des SWR auf 11,30 Euro belaufen. Der Preis für die Puma-Trikots dürfte darunter liegen, allerdings kommen noch Versand- und Logistikkosten hinzu. Damit dürften die reinen Kosten bei grob 50 Mio. Euro liegen, dazu kommt ein enormes Marketingbudget drumherum. So tritt Ex-Nationalspieler Lukas Podolski etwa neuerdings in der Werbung des Vergleichsportals auf. Der Gesamtbetrag dürfte bei rund 100 Millionen Euro liegen, so die Schätzungen von Brancheninsidern.
Dass Check24 eher einen kreativen Weg gegangen ist und sich nicht einfach als Bandensponsor in den Fußballstadien eingekauft hat, ist zusätzlich von Vorteil: Auf diesem Wege erhält die Marke kostenlose Reichweite über die sozialen Medien, ist ebenfalls sichtbar und hat keine Streuverluste mit einem internationalen Publikum, das die Vergleichsplattform größtenteils gar nicht nutzen kann. Check24 ist vor allem in Deutschland stark.
Dabei hat das Münchner Unternehmen bewusst auf einen Weg ohne den Deutschen Fußball-Bund gesetzt. Das Portal ist kein offizieller Partner, aus diesem Grund sieht das Logo auch anders aus. Ein rechtliches Problem? Nein, sagt Henrich Blase. „Der Adler wurde per KI generiert und ist weit genug weg vom offiziellen DFB-Logo.“
Wie viele Trikots Adidas zur EM verkaufen kann, ist nicht bekannt. Für 2014 aber gibt es einen Vergleichswert: Im Jahr des bislang letzten Weltmeistertitels lag der Absatz bei drei Millionen Trikots – bis dato ein Rekord. Doch die Marke haben Check24 und Puma nun mit Leichtigkeit übertroffen.