Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat der rote-roten Koalition in Mecklenburg-Vorpommern zur Halbzeit ein gutes Zeugnis ausgestellt, dringt zugleich aber auf eine weitere Stärkung von Arbeitnehmerrechten. „Die Landesregierung hat bisher überwiegend gute Arbeit geleistet, zur Hälfte der Legislatur ist bereits Wichtiges umgesetzt. Und das trotz der dramatischen Folgen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine“, erklärte am Montag in Schwerin der Vize-Vorsitzende des DGB Nord, Ingo Schlüter. Am Dienstag will das Kabinett von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) die erste Hälfte der Amtszeit bilanzieren und öffentlich Rechenschaft ablegen.
Als Erfolgsbeispiele nannte Schlüter das seit Jahresbeginn wirksame Tariftreuegesetz, das die Vergabe öffentlicher Aufträge an Firmen an die Zahlung von Tariflohn dort bindet, und die Einführung des Internationalen Frauentages als gesetzlichen Feiertag im Land. Beides war bei der Unternehmerschaft in MV auf massive Kritik gestoßen. Positiv bewertete Schlüter auch die Übertragung des Tarifergebnisses im Öffentlichen Dienst auf Beamten sowie die Einführung des Betriebsräte- und Personalrätepreises. „Hier hat die Landesregierung geliefert. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten“, betonte der Gewerkschafter.
Kritik übte er am Umgang mit der Belegschaft des vom Land getragenen Historisch-Technischen Museums in Peenemünde auf Usedom. „Dort mussten die Beschäftigten erst gehörig Druck machen, bevor das Land einen Tarifvertrag mit Verdi abgeschlossen hat“, berichtete Schlüter. Handlungsbedarf mahnte er bei der Stärkung tarifgebundener Arbeitsplätze in der Industrie an. Durch die Pleite der MV-Werften seien viele gut bezahlte Arbeitsplätze verloren gegangen. Offen sei außerdem die angestrebte Neufassung des Personalvertretungsgesetzes und die Einführung eines Zuschusses für Beamte, die freiwillig gesetzlich krankenversichert sind. „Wir werden in der zweiten Halbzeit weiter alles daransetzen, diese und andere Punkte für die Beschäftigten umzusetzen“, kündigte Schlüter an.
Aus der Landtagswahl 2021 war die SPD mit 39,6 Prozent als klare Siegerin hervorgegangen. Die von Schwesig geführten Sozialdemokraten entschieden sich danach, die zuvor 15 Jahre lang bestehende Koalition mit der CDU nicht fortzusetzen und stattdessen mit der Linken eine Regierung zu bilden. Beide Parteien legten in ihrem Koalitionsvertrag größeren Wert auf soziale Vorhaben. Das nun beschlossene Tariftreuegesetz etwa war zuvor am Widerstand der Union gescheitert.
Kritiker werfen der rot-roten Regierung vor, die Interessen der Wirtschaft zu wenig zu berücksichtigen. „Ergebnisse, die den Wirtschaftsstandort MV voranbringen und den Betrieben Perspektiven aufzeigen, sind noch nicht zu erkennen“, konstatierte der Geschäftsführer des Unternehmerdachverbandes, VU, Sven Müller. Die Einführung des Tariftreuegesetzes, das für mehr Bürokratie und mangelnden Praxisbezug stehe, oder der zusätzliche Feiertag, der zu Mehrbelastungen von gut 55 Millionen in den Betrieben führe, hätten einen schalen Beigeschmack hinterlassen. „Zweieinhalb Jahre Rot-Rot stehen für: Da ist noch viel Luft nach oben!“, erklärte Müller und forderte Entlastungen für die Firmen.