Die Klagen gegen frühere Hartz-IV-Bescheide beschäftigen die Sozialgerichte in Mecklenburg-Vorpommern bis heute.
Zwar sei die Zahl der anhängigen Verfahren in erster Instanz auch durch Personalverstärkung in den Gerichten deutlich reduziert worden. Doch seien gegen viele Urteile Rechtsmittel eingelegt worden, deswegen gebe es nun viele Verfahren in zweiter Instanz, erklärte Justizministerin Jacqueline Bernhardt (Linke) am Dienstag in Schwerin.
Sie äußerte sich erfreut über eine jetzt geschlossene Zielvereinbarung zur Reduzierung von Verfahrenslaufzeiten. Zeitnahe Entscheidungen in allen Bereichen der Justiz seien wichtig für die Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden, besonders auch in der Sozialgerichtsbarkeit. „Hier geht es schließlich oft um existenzielle Fragen für die Menschen. Hier geht es um Rente, um Bürgergeld, um Krankenversicherung“, machte Bernhardt deutlich.
Wie der Präsident des Landessozialgerichts, Axel Wagner, sagte, hatte sich mit den sogenannten Hartz-Gesetzen und der damit verbundenen Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ab 2005 die Zahl der gerichtlich zu behandelnden Streitfälle binnen kurzer Zeit verdreifacht. „Es gab eine beispiellose Klagewelle“, sagte Wagner. Mehr als 11 000 neue Verfahren seien pro Jahr eingeleitet worden, der Bestand an Hauptverfahren habe zeitweise bei über 20 0000 gelegen. Aktuell seien etwa 5000 Eingänge pro Jahr zu verzeichnen, der Bestand an unerledigten Fällen habe Ende 2023 bei 7500 gelegen.
Wie aus der Statistik aber weiter hervorgeht, hat sich die durchschnittliche Verfahrensdauer an den vier Sozialgerichten im Land seit zehn Jahren kaum verändert. Sie liegt bei etwa 20 Monaten. Als Zielmarken nannte Wagner durchschnittlich 14 Monate für erstinstanzliche Verfahren und 18 Monate für Verfahren in zweiter Instanz. Der Senkung der Zeitdauer seien aber Grenzen gesetzt. „Wir sind ja keine Schnellgerichte. Schnelligkeit ist kein Selbstzweck, sondern steht immer im Abgleich mit sorgfältiger Sachaufklärung“, betonte Wagner. Oft gehe es auch um medizinische Fragen, zu denen Gutachten erstellt werden müssten.
Nach den Worten Bernhardts umfasst die Zielvereinbarung auch Regelungen zur Gewinnung von richterlichem Nachwuchs. So würden Proberichterinnen und Proberichter künftig gezielt darauf angesprochen, ob sie nicht zu Beginn ihrer Laufbahn an einem Sozialgericht Erfahrungen sammeln wollten, ehe sie nach 18 Monaten in einen anderen Geschäftsbereich wechselten. „So soll ein Pool an interessierten und sozialrichterlich bereits erfahrenen Richterinnen und Richtern geschaffen werden, auf den bei Bedarf zurückgegriffen werden kann“, sagte die Ministerin.
Nach ihren Angaben beträgt das Durchschnittsalter der landesweit etwa 50 Richter in der Sozialgerichtsbarkeit knapp 53 Jahre. Somit zeichne sich für die kommenden Jahre ein hoher Ersatzbedarf für altersbedingt ausscheidende Juristen ab. Darauf müsse man sich möglichst langfristig einstellen, mahnte auch Wagner. „Ende des Jahrzehnts geht eine ganze Generation. Es ist ein ganz wichtiges Anliegen, dass wir dann nicht – wie 1990 – wieder bei Null anfangen, sondern so etwas wie eine gesunde Altersstruktur hinbekommen“, sagte er.