Husten, Schnupfen, Halsschmerzen: Noch immer hat die saisonale Krankheitswelle Deutschland fest im Griff.
Etwa 7,2 Millionen Menschen leiden dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge derzeit an akuten Atemwegserkrankungen. Verantwortlich dafür sind hauptsächlich Rhinoviren; diese Erkältungsviren machen 31 Prozent aller Atemwegsinfekte aus. Doch gleich dahinter folgt schon SARS-CoV-2 mit 20 Prozent – und die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein. Gleichzeitig ist es der erste Herbst seit Ausbruch des Coronavirus ohne Pandemie-Auflagen. Worauf muss sich Deutschland einstellen?
Die Corona-Variante Eris (EG.5) dominiert nach wie vor das Corona-Infektionsgeschehen. Sie wurde laut RKI bei der Hälfte der Proben nachgewiesen. Die stark mutierte Omikron-Sublinie Pirola (BA.2.86) macht einen Anteil von fünf Prozent aus. In Deutschland würden Dutzende Varianten zirkulieren, sagt der Epidemiologe und Virologe Klaus Stöhr der „Frankfurter Rundschau“. Bei Krankheitsverläufen gebe es aber keine signifikanten Unterschiede: Die meisten Menschen erkrankten leicht, lediglich bei einem kleinen Anteil würden schwere Verläufe auftreten.
Dennoch geht Stöhr davon aus, dass der Druck auf Krankenhäuser und Intensivstationen weiter steigen wird. „Ich glaube, dass es in diesem Winter heftiger sein wird“, sagt der Experte mit Blick auf eine mögliche Corona-Infektionswelle. Ein Immunstatus wie nach vielen Jahren endemischer Durchseuchung bei anderen Atemwegserregern sei nach drei Jahren Pandemie in Deutschland noch nicht erreicht. Besonders ältere Menschen mit Vorerkrankungen seien gefährdet.
„Für besonders gefährdete Gruppen ohne einen entsprechenden Impfschutz kann Corona nach wie vor eine schwere Erkrankung sein“, erklärt auch Markus Beier, der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, gegenüber der „Welt“. Laut RKI müssen bei etwa 28 Prozent der Covid-19-Fälle die Patientinnen und Patienten hospitalisiert werden. Seit Anfang Oktober sind demnach 1336 Menschen infolge einer Corona-Infektion gestorben. Fast alle (97 Prozent) waren 60 Jahre oder älter.
Daher appellieren Ärztevertreter an Risikogruppen, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. „Wir haben eine sehr geringe Nachfrage nach Impfungen“, sagt Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, der „Welt“. Zwar seien viele Menschen wegen des enormen öffentlichen Drucks zu Corona-Impfungen verständlicherweise impfmüde. Für Risikogruppen könne das aber problematisch sein, so Gassen.
Eine Basisimmunität gegen Covid-19 haben Erwachsene unter 60 Jahren nach Einschätzung der Ständigen Impfkommission (STIKO) in der Regel nach zwei Impfungen und einer Erkrankung oder nach drei Impfungen. Menschen ab 60 Jahren oder solche, die durch einen schweren Covid-19-Verlauf gefährdet sind, empfiehlt die STIKO weitere Auffrischimpfungen jeweils zwölf Monate nach der letzten Impfung oder Erkrankung – vorzugsweise im Herbst. Für gesunde Kinder und Jugendliche seien derzeit keine Covid-19-Impfungen notwendig.
Die Impfmüdigkeit in Deutschland war „noch nie so groß wie jetzt“, sagt auch Virologe Stöhr. Besonders fatal: Das beziehe sich nicht nur auf die Corona-Impfung. „Die Impfraten haben bei wichtigen Kinderimpfungen wie Polio und Masern nachgelassen.“ Das sei einer der „größten Kollateralschäden der Pandemie“. Wichtige Impfungen seien negativ konnotiert. Das habe auch langfristig Einfluss auf das Gesundheitssystem.
Akut hat das Gesundheitssystem allerdings mit den vielen Atemwegsinfekten zu kämpfen. Doch woran erkennt man überhaupt, ob es Corona und nicht beispielsweise doch eine Grippe ist?
Eine Unterscheidung ist nicht immer leicht: Trockener Husten, Fieber, Abgeschlagenheit, Hals-, Kopf- und Gliederschmerzen und Schnupfen treten häufig bei beiden Erregern auf. Einen Hinweis darauf, mit welchem Virus man sich infiziert hat, kann aber der Krankheitsverlauf geben: Während sich eine Grippe häufig sehr schnell entwickelt, man sich quasi von jetzt auf gleich krank fühlt und hohes Fieber bekommt, ist der Krankheitsverlauf bei einer Corona-Infektion häufig langsamer. Hier verschlechtert sich der Zustand der Patientinnen und Patienten in der Regel über mehrere Tage hinweg.
Zudem bringt vor allem die Corona-Variante Pirola einige ungewöhnliche Symptome mit sich. Bei manchen Menschen können Hautausschläge, rote und wunde Finger sowie Zehen oder juckende und gerötete Augen auftreten. Ebenso berichten Betroffene von Durchfall sowie Geschwüren und Schwellungen im Mund und auf der Zunge.
Pirola muss aber nach aktuellem Wissensstand nicht unbedingt mit den genannten ungewöhnlichen Symptomen einhergehen. Eine Erkrankung mit dieser Corona-Variante kann sich auch weiterhin mit den für Eris typischen Symptomen äußern: Kratzen im Hals, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, laufende Nase, Müdigkeit und Niesen. Außerdem sind laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unabhängig von einer bestimmten Variante auch weiterhin Fieber, Heiserkeit und eine Störung des Geruchssinns bei den Corona-Symptomen vertreten.