Die Hansestadt Wismar hat seit Kurzem sieben Partnerstädte in sechs Ländern. Die jüngste Städtepartnerschaft wurde am 13. Oktober 2023 mit der ukrainischen Stadt Tschornomorsk geschlossen. Ebenfalls jüngeren Datums ist die Partnerschaft mit der albanischen Stadt Pogradec, die im Jahr 2019 begründet wurde.
Einige Beziehungen bestehen jedoch bereits seit Jahrzehnten, wie zu den Städten Kemi in Finnland, Aalborg in Dänemark, Kalmar in Schweden und zur Hansestadt Lübeck. Zu den ältesten Partnerstädten gehört auch die französische Hafenstadt Calais. Bereits seit 1969 bestanden freundschaftliche Beziehungen, im Jahr 1971 wurde zwischen den Stadtvertretern schließlich ein Partnerschaftsvertrag geschlossen.
Calais befindet sich an der engsten Stelle des Ärmelkanals gegenüber der englischen Hafenstadt Dover. Die Stadt hat circa 68.000 Einwohnerinnen und Einwohner und ist Mittelpunkt der Tourismus-Region Opalküste. Mit dem Glockenturm des Rathauses, genannt Belfried, ist Calais außerdem Welterbestadt.
Wismar gehört zu einer Reihe von Städten, die während der Zeit der DDR Partnerschaften mit französischen Städten gegründet haben. Dies mag auf den ersten Blick überraschen, lässt sich jedoch bei näherem Hinsehen erklären. Die Politik der Bundesrepublik der 1950er- und 1960er-Jahre versuchte, diplomatische Beziehungen zwischen Frankreich und der DDR zu verhindern. Tatsächlich erkannte Frankreich die DDR erst 1973 an. Um trotzdem in Frankreich präsent zu sein und dem Alleinvertretungsanspruch der BRD etwas entgegenzusetzen, förderte die DDR kulturelle Beziehungen und für diese Beziehungen vor allen Dingen Städtepartnerschaften.
Nun war Frankreich zwar ein kapitalistischer Staat, doch zugleich ein Land mit revolutionären Traditionen, das Land der Französischen Revolution, die Heimat der Résistance und das Land einer starken kommunistischen Partei. Ein Blick in die Archivunterlagen verrät, dass es seit den 1970er-Jahren dann auch mehrere Besuche aus Calais in Wismar gab.
Seit der politischen Wende ruhte jedoch der Austausch zwischen Wismar und Calais, die Schwerpunkte beider Städte lagen anderswo. Wie nun lässt sich eine Städtepartnerschaft nach solch einem langen „Dornröschenschlaf“ wieder beleben? Was wäre ein Anlass, Vertreterinnen und Vertreter aus der Partnerstadt einzuladen, um wieder miteinander in den Austausch zu treten und mögliche Themenfelder für eine zukünftige Zusammenarbeit zu ergründen? Im Falle Calais unterstützte dabei besonders die Deutsch-Französische Gesellschaft Wismar e.V. Gemeinsam mit der Stadtverwaltung von Wismar entstand in diesem Jahr die Idee, das jährliche Chansonkonzert der Gesellschaft einmal ganz auf Calais auszurichten.
Vielleicht würde es gelingen, eine Musikerin oder einen Musiker aus Calais zu engagieren und Gäste aus der Stadtverwaltung von Calais anlässlich dieses Konzertereignisses nach Wismar einzuladen? Gesagt, getan. Mit Unterstützung der französischen Kolleginnen und Kollegen konnte ein Musiker aus der Region Calais gefunden und engagiert werden.
Der Sänger und Gitarrist Pierre Velghe tritt am Sonnabend, dem 28. Oktober 2023, um 19.30 Uhr im Wismarer Zeughaus auf. Es erwartet die Gäste ein abwechslungsreiches Konzert mit einigen klassischen Chansons und Eigenkompositionen des Musikers, die eher aus den Bereichen Jazz, Reggae, Rock und Folk kommen. Konzerttickets kosten 13 Euro und sind im Vorverkauf in der Tourist-Information Wismar sowie am Konzertabend ab 18.30 Uhr an der Abendkasse erhältlich.
Und nicht nur das Konzert konnte organisiert werden. Tatsächlich werden zwei Gäste aus der Stadtverwaltung von Calais anreise, um Wismar kennenzulernen und mit Bürgermeister Thomas Beyer Gespräche über die Städtepartnerschaft zu führen. Dies ist ein erster Besuch von Seiten der französischen Partner seit Jahrzehnten, ein erfreuliches Ereignis und ein guter Schritt, gerade in diesem Jahr, in dem der Elyséevertrag und damit 60 Jahre deutsch-französische Freundschaft bestehen und gefeiert werden dürfen.
Foto: Jo Clauwaert